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Tödliche Mitgift

Tödliche Mitgift

Titel: Tödliche Mitgift
Autoren: Eva Almstädt
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Weges führte ihn durch den Kreisforst Farchau, bevor ein holpriges und sehr kurvenreiches Stück Straße direkt nach Duvensee hineinführte. Im Wald wurde das Mondlicht von den Kronen der eng zusammenstehenden Bäume abgeschirmt. Die Luft fühlte sich wärmer an und roch feucht und erdig. Außer dem kleinen, beleuchteten Ausschnitt Wirklichkeit im begrenzten Lichtkegel seiner Fahrradlampe konnte er hier kaum etwas erkennen. Obwohl es leicht bergauf ging, schaltete Löwgen noch einen Gang höher. Er mochte den Wald nicht, hatte ihn nie gemocht, und seit dem Film The Blair Witch Project wusste er zumindest, dass er mit dieser Furcht und Abneigung nicht allein dastand. Das Auto, das weit vor ihm aus einem Forstweg auf die Landstraße bog, beachtete er zunächst nicht weiter. Ein Jäger, dachte er. Es war ein großer Wagen mit weit auseinanderstehenden Scheinwerfern. Den Leuten auf dem Land konnten ihre Autos immer nicht groß genug sein. Der Motor dröhnte, als der schwere Wagen viel zu stark beschleunigte. Wohl doch eher Halbstarke, kein Jäger. Die Kids hier draußen lernten es einfach nicht, dachte er. Death before Disco, und wieder ein Holzkreuz mehr am Straßenrand. Er hoffte, dass die Rowdys noch nicht zu betrunken waren, um auf ihrer Seite der Fahrbahn zu bleiben. Bernhard fuhr instinktiv noch weiter rechts, wo sein Rad auf der Barkasse sofort ins Schlingern geriet. Die Scheinwerfer blendeten auf, der Wagen zog plötzlich nach links, und Löwgens Rad machte einen unkontrollierbaren Satz. Er flog durch die Luft und sah noch kurz den Baumstamm, auf den er prallen würde und der garantiert härter war als jeder Knochen in seinem Leib.
    Die Kollision war heftig. Nachdem eine Schrecksekunde vergangen war, war der Schmerz so höllisch, dass Bernhard sich wünschte, sofort in Bewusstlosigkeit zu versinken. Einen kurzen Moment übertönten die Schmerzen alles. Dann übernahm sein Überlebensinstinkt wieder die Führung und erlaubte ihm erste, unzusammenhängende Gedanken über die veränderte Situation.
    Der Wagen hatte ihn frontal gerammt und war aber dann weitergefahren, soweit Löwgen es in seiner misslichen Lage am Boden beurteilen konnte. Er versuchte, sich zu bewegen, unterließ es aber sofort wieder, denn die Schmerzen in Oberkörper und dem einen Bein waren zu stark. Außerdem, und das bereitete ihm wirklich Sorgen, bekam er nur sehr schwer Luft. Seine Brust tat ihm wahnsinnig weh. Eine gebrochene Rippe, die in meine Lunge sticht, dachte er. Und sein Bein fühlte sich an, als wäre die Kniescheibe zertrümmert. Das Erste, was ihm wegen seines Knies zu schaffen machte, war die Tatsache, dass er es zum Radfahren brauchte. Dann, als zwei, drei Minuten vergangen waren, ohne dass etwas passiert war, das seine Lage verbessert hätte, begann er, sich um die jetzige Situation Sorgen zu machen. Er würde diesen Ort, den Wald, nicht ohne Hilfe verlassen können.
    In seinen Augen brannte etwas. Wahrscheinlich Blut, das aus einer Platzwunde am Kopf in seine Augen lief. Er musste doch sehen, ob Hilfe kam, und auf sich aufmerksam machen … Es gelang ihm unter Schmerzen, seinen offenbar unverletzten Arm zu heben und sich mit einer Hand über das Gesicht zu wischen. Nun konnte er sein Fahrrad ein paar Meter entfernt am Straßenrand liegen sehen. Der Vorderscheinwerfer warf einen hellen Lichtpunkt auf den Asphalt, während sein Rücklicht im hohen Gras pulsierende, rote Lichtsignale gab.
    Wenigstens würde der nächste Autofahrer, der vorbeikam, dadurch auf ihn aufmerksam werden. Wie lange hielten eigentlich die Akkus? Der Fahrer, der ihn angefahren hatte, war bestimmt abgehauen, dachte Löwgen bitter. Fahrerflucht – es war typisch, dass gerade ihm das passieren musste. Die Akkus seiner Fahrradscheinwerfer waren frisch aufgeladen gewesen, als er losgefahren war. Das war also nicht das Problem. Und er war hier ja nicht im Outback, sondern in Schleswig-Holstein, Herzogtum Lauenburg. Man nannte es die Zivilisation. Hier kam bestimmt alle paar Minuten ein Auto vorbei, es war ja noch nicht einmal Mitternacht. Die Akkus würden länger durchhalten als er selbst, dachte er zynisch, denn der Schmerz, der zunächst vom Schock gedämpft gewesen war, wurde immer schlimmer.
    Bernhard Löwgen stöhnte und tastete nach seinem Bein. Er fühlte etwas Warmes, Feuchtes, das leicht zu pulsieren schien, und vermutete, dass er stark blutete. Er konnte sich nicht dazu überwinden hinzusehen, aber viel würde er sowieso nicht erkennen können in
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