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Tödliche Mitgift

Tödliche Mitgift

Titel: Tödliche Mitgift
Autoren: Eva Almstädt
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der Dunkelheit. Vielleicht war ein größeres Blutgefäß verletzt, und er musste das Bein abbinden. In Filmen taten die Helden so was immer. Aber er war kein Held, und dies war kein Film. Das Bewusstsein zu verlieren und sediert und versorgt im Krankenhaus wieder aufzuwachen wäre mehr nach seinem Geschmack, überlegte er. Dieser höllische Schmerz – er konnte es nicht mehr aushalten.
    Er war so mit sich selbst beschäftigt, dass er das Geräusch sich nähernder Schritte fast überhört hätte. Endlich Hilfe! Merkwürdig war, dass er gar kein Fahrzeug kommen gehört hatte. Bernhard Löwgen hatte inzwischen jegliches Zeitgefühl verloren. Hartnäckig weigerte er sich, darüber nachzudenken, was die eisige Kälte, die langsam sein Bein herauf kroch, und der Schmerz im Brustkasten konkret bedeuteten. Stattdessen konzentrierte er sich auf das lauter werdende Knirschen der Schritte auf dem Asphalt. Es folgte ein Rascheln, was bedeutete, dass der Mensch, der sich ihm näherte, nun von der Fahrbahn auf die Böschung getreten war. Er suchte ihn. Warum sagte derjenige nichts, wieso rief er nicht nach ihm? Vielleicht war es der Fahrer des Unfallwagens, den das schlechte Gewissen gepackt hatte?
    Irgendwie war Bernhard Löwgen dieser Gedanke nicht geheuer, und der Impuls, um Hilfe zu rufen, blieb ihm im Hals stecken. Stattdessen versuchte er, sich tiefer in das feuchte Laub zu pressen. Als die Bewegung ihm einen stechenden Schmerz in der Brust verursachte, biss er sich bei seinen Bemühungen, einen Aufschrei zu unterdrücken, auf die Unterlippe. Er schmeckte Blut, schwitzte und zitterte zugleich.
    » Was? Löwgen ist noch gar nicht zu Hause angekommen?«
    »Sie können gern oben nachsehen, aber ich hätte ihn gehört, glauben Sie mir«, sagte Esther Winkler bestimmt. Es hatte eine Weile gedauert, bis die Frau ihnen zu der späten Stunde geöffnet hatte. Was auch verständlich war, wenn man bedachte, wie einsam sie wohnte und dass sie nicht sehen konnte, wer bei ihr läutete. Schließlich hatte Pia sich ihre Telefonnummer besorgt und sie angerufen. Das alles hatte ein paar Minuten gedauert. Kostbare Zeit, wie es ihr schien.
    »Ich glaube Ihnen ja, dass er noch nicht wieder hier ist. Aber er müsste eigentlich längst zu Hause sein«, meinte Pia und starrte an der Giebelwand des verklinkerten Hauses hoch zu den oberen Fenstern, hinter denen vor Kurzem ein Schwelbrand Löwgens Computer vernichtet hatte. Im ersten Stock war alles dunkel.
    »Vielleicht hatte er eine Panne?«, überlegte Esther Winkler laut.
    »Aber dann hätten wir ihn sehen müssen.«
    »Er kann mit dem Rad doch auch andere Wege fahren als wir mit dem Auto. Und was ist, wenn er noch woanders hingefahren ist?«, fragte Hinnerk und erkannte mit einem Blick auf die ländliche Umgebung, wie unwahrscheinlich das klang. Bis auf die viel besungenen Kornfelder boten sich hier wenig nächtliche Vergnügungsmöglichkeiten. Selbst die Prostituierten in den Wohnmobilen auf den einsamen Waldparkplätzen hatten bestimmt längst Feierabend gemacht.
    »Er ist noch unterwegs.« Pia zog Hinnerk am Arm. »Komm. Wir fahren ihm entgegen.«
    Löwgen hörte nichts mehr, was bedeutete, dass die Person sich wieder entfernt hatte oder aber reglos stehen geblieben war. Suchte sie ihn? War er wirklich so weit von der Fahrbahn fortgeschleudert worden, dass man ihn nicht sofort fand? Was folgte, jagte ihm einen so tief gehenden Schrecken ein, dass sich die Härchen an seinen Armen und Beinen aufrichteten in dem atavistischen und absolut nutzlosen Bestreben, einen möglichen Angreifer einzuschüchtern. Die Bewegung der Haarwurzeln auf den abgeschürften Hautstellen war äußerst unangenehm, das nachfolgende, lähmende Angstgefühl noch weitaus schlimmer.
    »Berry?«, erklang eine weibliche Stimme. »Es hat keinen Sinn, ich finde dich sowieso. Ich weiß, dass du dich hier irgendwo verkrochen hast.«
    Laub und dünne Zweige raschelten und knackten unter ihren Füßen, und er hörte ihren zischenden Atem. Es gab nicht viele, die ihn Berry nannten. Doch Caterina war nicht so ruhig, wie sie erscheinen wollte. Er erinnerte sich an ihre Wutanfälle und dann auch wieder daran, dass sie keinerlei Skrupel kannte. Die Jahre, die er in der Werkstatt ihres Vaters gearbeitet hatte, hätten ihn lehren sollen, sich nie wieder mit ihr einzulassen.
    »Berry, wo bist du? Ich weiß, dass ich dich mit dem Wagen erwischt habe. Du musst Schmerzen haben. Lass es uns jetzt zu Ende bringen …«
    Er drehte den Kopf ein
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