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Tödliche Mitgift

Tödliche Mitgift

Titel: Tödliche Mitgift
Autoren: Eva Almstädt
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wenig und blinzelte. Ein Schatten trat zwischen ihn und das Licht seines am Boden liegenden Fahrrads. Etwas trat gegen sein verletztes Bein, und er schrie auf.
    »Du Idiot!«, sagte Caterina mit völlig veränderter Stimme. »So weit von der Straße entfernt liegen zu bleiben.«
    »Was willst du?« Er sprach so undeutlich, als hätte er den Mund voller Steine. Und er erkannte seine eigene, vor Schmerz und Angst entstellte Stimme kaum wieder.
    »Kannst du aufstehen?«, fragte sie und trat noch einmal zu.
    Er versuchte, sein verletztes Bein in Sicherheit zu bringen, doch nur sein Oberkörper rollte sich zur Seite, und er schmeckte grobe, bittere Erde auf der Zunge. Etwas in seiner Lunge schien zu reißen, und er bekam einen Hustenanfall. Sie trat noch ein paar Mal zu, wohl um sich zu vergewissern, dass er nicht vor ihr fliehen konnte. Der Schmerz, den ihre Tritte verursachten, hallte in seinem Kopf wider wie Gongschläge. Er wunderte sich, dass er überhaupt noch denken konnte. Bernhard spürte, dass sie ihn an den Füßen packte und versuchte, ihn zu ziehen. Der Schmerz, den sie damit in seinem verletzten Bein verursachte, war kaum auszuhalten. Fluchend ließ sie seine Füße wieder fallen. Dann spürte er Caterinas Hände, hart wie Schraubstöcke, unter seinen Achseln. Sie keuchte, und ihr Haar fiel in sein Gesicht. Er fand das Gefühl ekelerregend, ebenso ihren Geruch, der nach Vanille, Veilchen und Schweiß roch.
    Es gelang ihr, ihn mit dem Oberkörper auf den rauen Asphalt zu ziehen. Seine Beine hatten sich in irgendwelchen Schlingpflanzen am Straßenrand verfangen. Brombeeren, dachte er – als Kind hatte er manchmal Brombeeren im Wald gesammelt. Sie ließ ihn los und richtete sich stöhnend auf. »Du machst nichts als Ärger, Berry«, schimpfte sie keuchend, »ich hab’s Matthias gleich gesagt. Sogar so gut wie tot bist du noch ein Ärgernis!«
    »Warum?«, flüsterte er mit trockener Kehle. Ihre Wut, ihr Hass, sogar ihr Vorhaben, ihn umzubringen, waren ihm inzwischen fast egal. Wenn nur der Schmerz nachließe. Aber er wollte wissen, warum er sterben sollte.
    »Glaubst du, ich kann dich leben lassen, nach dem, was du weißt, was du mir angetan hast?«
    »Ich wollte nur, dass du die Wahrheit über Matthias und Annegret erfährst …«, brachte er mühsam hervor. Das alles war doch nicht seine Schuld! Sein Motiv, Caterina die Aufnahmen zu zeigen, die bewiesen, dass ihr Mann sie mit seiner eigenen Schwester betrog, war sicherlich nicht selbstlos gewesen. Er hatte Caterina verletzen und demütigen wollen. So, wie sie ihn immer gedemütigt und wie Schmutz unter ihren Fingernägeln behandelt hatte. Er hatte ihr nur die Augen öffnen wollen. Das inzestuöse Verhältnis zwischen Matthias und Annegret hatte wahrscheinlich schon sehr lange bestanden. Vermutlich schon, bevor Matthias und Caterina einander kennengelernt und geheiratet hatten.
    Doch es hieß nicht umsonst, dass die Überbringer schlechter Nachrichten geköpft wurden. Es war dumm von ihm gewesen anzunehmen, dass der Verrat für ihn ohne Konsequenzen bleiben würde. Seine Emotionen – Eifersucht, Entsetzen und Hass – hatten ihm den Verstand vernebelt. Wenn er bloß nie von dem Verhältnis zwischen den Geschwistern erfahren hätte! Wenn er nicht so besorgt und verliebt in Annegret gewesen wäre, hätte er niemals die Kamera mit dem Nadelöhrobjektiv auf dem Schrank in ihrem Hotelzimmer installiert. Es war zu Annegrets Schutz gewesen, hatte er sich eingeredet, doch er hatte nur Kontrolle über sie erlangen wollen.
    Und dann hatte er gefilmt, wie sie mit ihrem Bruder schlief. Was hatte er sich nur dabei gedacht, Caterina die Aufnahme zu zeigen? Sie zur Augenzeugin des Inzests zu machen, nur weil … er Caterina hasste und sie ihn mit ihrer Herablassung und ihrer Eifersucht tief gekränkt hatte?
    »Du verstehst es nicht, nicht wahr?«, höhnte sie, »du verstehst nichts, aber du weißt zu viel. Arrividerci, Berry!«
    Er wollte noch etwas sagen, etwas Wichtiges, doch er hörte nur noch das Klacken ihrer Absätze auf dem trockenen Asphalt, als sie sich von ihm entfernte. So sollte es also enden. Sein Kopf lag auf der Fahrbahn wie in einer Guillotine. Sie würde ihn gleich mit dem Wagen überrollen. Er versuchte, sich zu bewegen, doch der Schmerz schien ihn am Boden festzunageln. Wenn nicht jetzt sofort ein Wunder geschah, dann hatte er nicht mehr lange zu leben. Zitternd und vor Schmerzen stöhnend, wartete er auf das Geräusch, wenn Caterina ihren Wagen starten
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