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Tödliche Investitionen

Tödliche Investitionen

Titel: Tödliche Investitionen
Autoren: Kjell Ola Dahl
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zwinkerte und hatte sich wieder gefangen. Sie trat zur Seite und hielt ihm die Tür auf, bat ihn, sich hinzusetzen, während sie kurz in der Küche nach dem Kind schaute.
    Er wartete ruhig ab und sah sich in dem großen, luftigen Wohnzimmer um. Eine frisch renovierte Wohnung. Weiße Fasertapeten. Lackierter Parkettboden ohne Risse oder Fehler. Vorhänge in hellen Pastellfarben vor großen Fenstern. Schlichte, teure Möbel, Manila und gefärbtes Leder. Auf dem Boden ein paar Spielsachen, die verrieten, dass hier ein Kind lebte, auch wenn der Couchtisch aus dickem Rußglas häusliche Disziplin andeutete. An den Wänden drei Originale eines modernen Künstlers, den Gunnarstranda nicht kannte. Aber sein geübter Blick bemerkte sofort den Hauch von Klasse der echten Ölgemälde mit Signatur.
    Er befand sich in einer von jungem Wohlstand geprägten Wohnung.
    Überraschend.
    An sich war es keine Überraschung, in einem Mietshaus in Grünerløkka eine schön eingerichtete Wohnung zu finden, aber das Standesgemäße machte ihm Gedanken. Die Ölgemälde und der Stil der hoch gewachsenen Frau, die ihm sympathisch war. Sie wirkte solide, auch wenn ihr Akzent eher snobistisch war. »Warten Sie bitte im Wohnzimmer«, hatte sie gesagt. Im Wohnzimmer! Die Art, wie sie das Wort ausgesprochen hatte, passte zu ihrer Kleidung, zu ihrer Halskette. Dazu, wie sie sich gekonnt des Kindes annahm und ebenfalls seiner unausgesprochenen Forderung.
    Im Stillen hatte er ihren langsamen Gang von der Diele zur Küche beobachtet. Die natürliche Bewegung der Hüften. Sie war eine geschmeidige und wohl geformte Frau von etwa dreißig. Vermutlich hatte sie eine abgeschlossene Ausbildung, war also von der vernünftigen Sorte. Erst ein Beruf, dann ein Kind.
    Gunnarstranda stand am Fenster. Blickte auf die Straße hinab. Dachte an alte Zeiten, wie er in Dælenenga Schlittschuh gelaufen war, dachte an die Brauereipferde in den Straßen, an Außenklos bei vielen Grad minus und an Küchen, in denen nachts ins Waschbecken gepinkelt wurde.
    Und heute legten die Reichen echten Parkettboden auf die alten Dielenbretter. Merkwürdig, dachte er, dass die feinen Pinkel Pantoffeln tragen, um keine Kratzer ins Parkett zu machen. Hier, in dieser alten Mietskaserne. Vor ein paar Jahren noch war es für Snobs auch im unteren Teil Grünerløkkas, im Markveien und der Thorvald Meyers Gate akzeptabel gewesen. Aber die meisten hatten die Flucht von dort ergriffen. Jetzt konnte er selber feststellen, dass dieser Teil von Grünerløkka offensichtlich auch noch annehmbar war. Und das war wirklich eine Überraschung. Denn diese Frau in der Küche hatte gesellschaftlich eine andere Stellung als der Pakistani von nebenan, der Kleider aus den 70er Jahren trug und in einer Wohnung mit den wackligen Sperrmüllmöbeln lebte. Er war ein sehr höflicher, korpulenter Mann mit Apfelbäckchen und Zahnbürstenschnurrbart. Ein Mann, der seine Frau zurück in die Küche scheuchte, als sie an die Tür geschlurft kam. Der Kerl hatte ausgesehen wie eine Aufziehpuppe. Er hielt die Hände auf dem Rücken verschränkt, und um seinen Mund lag ein krampfhaftes Lächeln. Er hatte nicht das Geringste gehört oder gesehen. Niemals, und an diesem Wochenende schon gar nicht. Aber trotz allem passte der Mann hierher. Er und die beiden Möchtegernkünstler ein Stockwerk höher. Zwei große, magere Hippies in knallbunten Klamotten, die versuchten, auf der Fensterbank Marihuana zu ziehen. Der Mann war vermutlich um die vierzig und sicher arbeitslos. Sie lief barfuß, in Hosen mit Schlag und aufgestickten Blumen. Zwei Fossilien aus den 60er Jahren, die zwischen Zeitungsstapeln und halb leeren Weinflaschen lebten. Beide betonten, wie wenig sie von ihrer Umgebung mitbekamen, vor allem an besagtem Sonntagmorgen, als sie von einem Fest gekommen waren.
    Er presste die Stirn gegen die Fensterscheibe und starrte auf die Straße hinunter, wartete geduldig, bis sie fertig war und aus der Küche kam.
    »Sie haben mit dieser Wohnung ja wirklich Glück gehabt«, rief er, mit dem Rücken zu ihr. »Und Sie haben gründlich renoviert. Ich bin hier aufgewachsen, damals hatten wir nicht einmal eine Toilette im Treppenhaus. Und um diese Zeit war es im Haus genauso kalt wie draußen.«
    Er drehte sich um und hob den Arm zur Sonne, die zum Fenster hereinschien. »Und Sonne haben Sie hier auch. Das haben in Grünerløkka nicht viele.«
    Sie nickte höflich und leicht nervös.
    »Ich bin ein Stück weiter unten groß geworden«,
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