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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung
Autoren: Tove Alsterdal
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Morrison, sondern die Stimme meines Vaters. Ein schludriger, tschechischer Akzent.
    When you’re strange
    Faces come out of the rain
    When you’re strange
    No one remembers your name
    When you’re strange, when you’re strange, when you’re strange ...
    Das Theater lag in einer unauffälligen Querstraße des Václavské nameˇstí. Ich bemerkte, dass die Szenenbilder in den Schaukästen neben dem Eingang aufgehängt worden waren, in einem schmutzig-braunen Ton kopiert, der sich auch durch das Bühnenbild zog und Assoziationen zur kommunistischen Zeit wecken sollte. Bis zur Premiere war es noch eine Woche.
    Das Mädchen am Kartenschalter hob kaum den Blick, sie war tief in ein Lehrbuch versunken. Im Zuschauerraum war es leer, eine Pause zwischen den Proben. Ich blieb vor der Bühne stehen. Murmelte einige der Repliken vor mich hin, leise, auf Tschechisch, während ich das Bühnenbild betrachtete.
    In der Meeresbucht steht eine grüne Eiche mit einer goldenen Kette um den Stamm.
    Ich hörte zu, so oft ich konnte, um ein bisschen Rhythmus und Poesie in meine begrenzte Sprache zu bringen. Um mich nicht länger wie ein Kind zu fühlen.
    Irgendetwas stimmte nicht. Ich neigte den Kopf, erst in die eine, dann in die andere Richtung, um herauszufinden, was mich an dem Bühnenbild störte. Es herrschte eine Symmetrie, die nicht bewusst herbeigeführt worden war.
    Die Bühne war reduziert und düster. Der Regisseur hatte die zeitliche Ebene von Tschechows Drei Schwestern in den Kalten Krieg verlegt, in einen nicht näher benannten kommunistischen Staat, in dem alle davon träumten, in die USA zu reisen. Es war keine lupenreine Deutung, aber das Publikumsinteresse war bereits vor der Premiere groß.
    Ich brauchte einige Minuten, bis ich entdeckte, was nicht stimmte. Schnell erklomm ich die kleine Treppe zur Bühne und hängte ein Porträt von James Dean ab, der die Sehnsucht der Schwestern nach Westen symbolisieren sollte. Den Nagel löste ich, indem ich etwas daran drehte. Ich befeuchtete meinen Daumen mit der Zunge und rieb an der Tapete, bis das Loch darin nicht mehr zu sehen war.
    Dann versetzte ich den Nagel einen Meter nach links, drückte ihn in die Wand und hängte das Bild erneut auf. Ging rückwärts zum Bühnenrand und begutachtete das Ergebnis.
    »Was machen Sie da? Sind Sie verrückt geworden?«
    Ich schreckte zusammen und drehte mich um. Es war einer der Bühnenarbeiter, ein Beleuchter.
    »Sie müssen doch begreifen, dass Sie das Bühnenbild auf keinen Fall anrühren dürfen!«
    »Entschuldigung.« Unbeholfen kletterte ich von der Bühne herab. Dieser verdammte Bauch. Der Bühnenarbeiter hatte einen Schraubenzieher in der Hand und hielt sich an einer Leiter fest, er war auf dem Weg nach oben, um das Licht zu justieren. Ich konnte es nicht lassen, noch einen Blick auf die Bühne zu werfen. Jetzt stimmten die Proportionen.
    »Was haben Sie auf der Bühne zu suchen?« Er zeigte mit seinem Schraubenzieher auf James Dean. »Wollten Sie etwa das Bild klauen?«
    »Nein, ich wollte nur ... Entschuldigung, es war nichts weiter. Bitte erzählen Sie es niemandem.«
    Er schüttelte bloß den Kopf und stieg weiter die Leiter empor. Ich ging durch einen Seitenausgang hinaus, der hinter die Bühne führte. Sah rasch zu Boden, als ich auf dem Flur einem der Schauspieler begegnete. Jetzt keine weiteren Fehler machen.
    Wieder zu einer Unsichtbaren werden.
    Meinen Blick auf den Boden gerichtet, ging ich zum Putzraum neben den Umkleidekabinen, öffnete die Tür und nahm meinen Mantel von einem Haken. Er verhüllte meine Formen und ließ mich eher übergewichtig aussehen als schwanger. Ich befestigte die Wischmopps und ging hinaus. Wendete den Putzwagen und schob ihn vor mir her, den Korridor hinunter.

DANK
    Julien Bobroff und Sarah Hercule Bobroff für ihre unentbehrliche Hilfe bei meiner Recherche in Paris. Ulla Kassius für einen Einblick in den Beruf des Bühnenbildners, Richard Reiss für Orientierung in East Village und Anna Erman für Klarheit bezüglich der französischen Gesetzgebung. Elizabeth L Fort vom Joyce Theatre in New York, Juan Triviño Domínguez von Cruz Roja in Tarifa und Johanna Eriksson-Strand vom Rechtsmedizischen Werk in Umeå.
    Mein besonderer Dank gilt außerdem Boel Forssell, Claes Forssell Andersson, Kina Alsterdal, Olivia Taghioff, Kicki Linna, Nikolaj Alsterdal und all euch anderen, die ihr bereit wart, auf Fragen zu antworten, zu lesen oder auf andere Weise einen Beitrag zu leisten. Kristoffer
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