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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung
Autoren: Tove Alsterdal
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Nähe Blech durchrüttelt. Aber ich höre keine Schritte, und es kann auch niemand meine hören.
    Sie blickte auf ihre nackten Füße hinab. Die Schuhe waren im Meer verschwunden, genau wie ihr Rock und die Strickjacke. Jetzt trug sie ein grünes Regencape, das auf ihr gelegen hatte, als sie an Deck des Fischkutters erwacht war. In der Kajüte hatte sie ein Handtuch gefunden und es sich wie einen Rock um die Hüften geknotet.
    Sie zog die Kapuze enger um den Kopf, kletterte vorsichtig über einen Stapel Betonstahl, rannte die letzten Meter geduckt im Scheinwerferlicht und sank dann erschöpft auf einen Haufen leerer Einwegflaschen.
    Hier endete der Hafen. Sie war eingesperrt. Hinter ihr lag die Mauer, vor ihr erhob sich ein zwei Meter hoher Betonzaun. Auf der anderen Seite begannen die Hafenspeicher. Durch die Zaunritzen konnte sie ein Stück Straße erkennen, einige blühende Gewächse hatten sich durch die Löcher im Asphalt ihren Weg gebahnt. Weiter entfernt ragte die Ruine einer mächtigen Burg wie ein steinernes Skelett in den Himmel.
    Ihre Augen schmerzten. Es war anstrengend, in dem gelben Licht, das weder wirklich hell noch dunkel war, etwas zu erkennen. Es war wie eine einzige anhaltende Dämmerung. Wenn ich jetzt die Augen schließe, versinke ich im Nichts, dachte sie. Sie hatte schon lange nicht mehr eine ganze Nacht am Stück geschlafen.
    Schließlich richtete sie sich auf. Wenn sie eines in den letzten Monaten gelernt hatte, dann war es das: sich umzusehen und alles genau zu registrieren, den eigenen Weg sorgfältig zu planen.
    Plötzlich hörte sie ein Motorengeräusch. Ein Wagen, der sich auf dem Hafengelände näherte. Sie warf sich flach auf den Boden und hielt den Atem an. Die Scheinwerfer trafen dicht neben ihren Füßen die Mauer, Flaschen und anderer Müll blitzten im Licht auf. Erst in diesem Moment sah sie die Treppe, die nach oben durch die Mauer führte: weiße, in den Stein gehauene Stufen, nur wenige Meter von ihr entfernt. Dann fiel alles wieder ins Halbdunkel. Der Wagen war abgebogen und entfernte sich. Gott sei Dank. Sie hatte das Blaulicht auf dem Dach gesehen, ehe der Wagen in Richtung der Zäune verschwunden war und das Motorengeräusch in der Ferne verschwand. Eine Polizeistreife.
    Hastig erklomm sie die Steintreppe und schwang sich über die Mauer. Zu ihrer Verwunderung landete sie weich auf der anderen Seite. Bisher war alles, was ihr in diesem Land begegnet war, hart gewesen: Asphalt, Stein und Eisenrohre, doch jetzt spürte sie weichen Sand unter sich, gerade so, als würde der Boden sie streicheln.
    Ein Sonnenschirm lag umgestürzt am Strand. Nur einen kleinen Augenblick, dachte sie und suchte sich eine geschützte Stelle, nur einen Atemzug von Gottes Ewigkeit werde ich hier ausruhen.
    Sie nahm eine Handvoll des feinen Sandes und ließ ihn durch ihre Finger rinnen. Legte den Kopf zurück und sah direkt in den schwarzen Himmel hinauf. Der Wind blies ihr ins Gesicht und riss ihr die Kapuze vom Kopf.
    Wann wird es endlich aufhören zu wehen, dachte sie. Wann wird der Wind abflauen und das Meer sich wieder beruhigen?
    Sie stand erneut auf und spürte, dass ihre Beine sie nicht mehr lange tragen würden. Ihr Fuß fühlte sich an, als wolle er sich vom Körper lösen, sie musste ihn hinter sich herschleifen.
    Geduckt setzte sie ihren Weg fort, an einer weiteren, niedrigen Mauer entlang, die den Sand daran hindern sollte, über die Straße zu wehen und die Stadt in eine Wüste zu verwandeln. Stachelige und scharfkantige Gewächse schnitten ihr in die Füße. Sie hob den kranken Fuß, um zu sehen, ob sie blutete, und entdeckte, dass sie in einen Hundehaufen getreten war. Der Fuß stank. Sie konnte sich doch nicht in diesem Land zeigen und derart stinken. Aber es war zu weit bis zum Meer, wo sie sich hätte waschen können. Was war nur für ein Mensch aus ihr geworden? Sie rieb die Fußsohle im Sand, um den Gestank loszuwerden, wischte sich mit der Hand barsch die Tränen ab und bekam dabei Sand in die Augen; Sand gab es hier wohl überall.
    Ich könnte auch auf dem Gehsteig an der Straße entlanggehen, dachte sie. Wie eine normale Passantin, nicht wie eine Diebin oder ein Hund, der Angst vor Prügel hat. Die Straße war beleuchtet, und sie wusste, wie riskant das war; dennoch ging sie aufrecht weiter und spürte bald schon den Asphalt unter ihren Füßen. Für einen Moment fühlte sie sich wieder wie ein Mensch. Wie jemand, der sich ohne Angst fortbewegen konnte.
    Als ob ein solcher
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