Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung
Autoren: Tove Alsterdal
Vom Netzwerk:
und wir bekommen Kinder und grillen mit den Nachbarn, und ich höre am Theater auf und stricke stattdessen Babymützen. Was immer du willst. Wenn du jetzt nur drangehst.
    Es klickte in der Leitung, während die Mailbox ansprang. Hallo, Sie haben Patrick Cornwall angerufen ...
    Dieselbe Ansage wie gestern Morgen nach dem Aufwachen, wie in der ganzen letzten Woche. Mit jedem Tag, den ich wartete, klang ihr Widerhall hohler.
    Falls ich gerade nicht ans Telefon gehe, bin ich höchstwahrscheinlich unterwegs und arbeite, also hinterlassen Sie doch bitte einfach eine Nachricht nach dem Signal. Piep.
    Seit er das letzte Mal angerufen hatte, waren zehn Tage vergangen.
    Letzten Freitag.
    Ich war gemeinsam mit Benji, meinem Assistenten, unterwegs gewesen, um einen Stuhl aus der russischen Zarenzeit abzuholen. Er war das fehlende Requisit für das Bühnenbild von Drei Schwestern und wurde von einem betagten Friseur, dessen Großmutter im Jahr 1917 aus Sankt Petersburg geflohen war, zum Kauf angeboten.
    Patrick rief genau in dem Moment an, als ich das Geschäft abgewickelt hatte. Benji und ich hatten den Stuhl von zwei Seiten gepackt und stiegen gerade die schmalen Stufen eines Hauses hinab, das jeden Moment vor Erschöpfung über uns zusammenbrechen konnte.
    »Ich wollte dir nur eine gute Nacht wünschen«, sagte Patrick auf der anderen Seite des Atlantiks, »ich vermisse dich so.«
    »Ich stehe hier gerade ein bisschen ungünstig«, erwiderte ich und hievte den Stuhl auf eine Treppenstufe, während Benji dagegen hielt, damit das kostbare Stück nicht hinabstürzte.
    Der Friseur stand in der Tür und wirkte beunruhigt. Ich hatte es eilig, von dort wegzukommen, bevor er es sich anders überlegte.Das Erbe seiner Großmutter sei das Wertvollste, was er besitze, hatte er gesagt, aber er wolle seine Mutter in Russland wiedersehen, bevor sie starb, deshalb verkaufe er alles. Wenn das Geld ausreiche, werde er sich eine Grabstätte neben dem Alexander-Newskij-Kloster kaufen, wo alle großen Männer seines Heimatlandes ruhten.
    »Du ahnst ja nicht, an was für einer Geschichte ich dran bin«, fuhr Patrick an meinem Ohr fort. »Wenn das nicht die inveschigative Reportage des Jahres wird, dann weiß ich auch nicht ...«
    »Bist du in einer Kneipe?« Ich schielte auf meine Uhr. In Boston war es Viertel vor sechs. Mitternacht in Paris. Mir wurde warm vom Klang seiner Stimme.
    Er lallte unüberhörbar. »Nein, ich bin wieder im Hotel«, antwortete er. Im Hintergrund Geräusche, ein hupendes Auto, etwas weiter entfernt Stimmen. »Und weißt du, worauf ich gerade gucke? Auf die Kuppel des Panthéon, wo Victor Hugo begraben liegt. Und ich kann direkt in die Dachfenster der Schorbonne sehen, dort wohnen Menschen, unter den Dächern, jetzt haben sie aber das Licht ausgemacht und sich schlafen gelegt. Ich wünschte, du wärst hier!«
    »Ich stehe gerade in einem Treppenhaus in Boston«, sagte ich und hörte mit halbem Ohr, wie der Friseur eine Diskussion mit Benji anzettelte. Offenbar wollte er mehr Geld.
    »Die Menschen sind nichts wert«, fuhr Patrick fort, »sie werden behandelt wie Dinge, die man kaufen und verkaufen kann.«
    »Ich muss wirklich auflegen, Patrick, lass uns morgen wieder telefonieren.«
    Er nahm einen geräuschvollen Schluck.
    »Ich kann nicht am Telefon darüber sprechen, aber ich werde die ganze Welt mit dieser Geschichte tapezieren, die sollen nicht glauben, dass sie mich zum Schweigen bringen können.«
    »Nein, wer kann das schon?«, seufzte ich und schnitt Benji eine Grimasse, dessen Gesicht sich beunruhigend rot färbte. Ich hatte keine Ahnung, was es kostete, neben Dostojewski begraben zu werden, aber es würde mein Budget garantiert übersteigen.
    »Und dann hab ich hinterher einen Abstecher gemacht in Harry’s New York Bar , um mit jemandem Englisch zu sprechen. Wusstest du, dass Hemingway dort immer saß, als er in Paris war?«
    »Du bist betrunken.«
    »Ich musste ja auch meinen Kopf frei kriegen und mal an was anderes denken als an Tod und Teufelswerk. Du weißt ja noch nichts darüber, aber dies ist eine Reise in die Dunkelheit.«
    »Bitte, lass uns morgen darüber sprechen, Liebling.« Es fiel mir lächerlich schwer, mich von Patrick zu verabschieden. Ein kleiner Teil von mir hatte Angst, er könnte verschwinden, wenn ich auflegte.
    Bei Patrick im Hintergrund ertönte ein schrilles Klingeln.
    »Sekunde bitte«, sagte er, »jetzt klingelt das andere Telefon.«
    Ich hörte, wie er seinen eigenen Namen mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher