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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung
Autoren: Tove Alsterdal
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vergessen sein.
    Das Wasser umspülte ihre Knöchel. Der Wind, der vom Meer kam, frischte auf. Sie hatte geglaubt, dass die Klippe hart und scharfkantig sei, doch als sie auf den ersten Stein trat, um hinaufzuklettern, war er weich und glitschig und entglitt ihrem Fuß.
    Sie schrie, warf sich auf die Klippen und stieß sich dabei die Schultern. Erklomm die Steine und zog hastig die Füße aus dem Wasser. Dann beugte sie sich hinab. Sie wollte sehen, auf was für einen ekelhaften Fisch sie da getreten war. Die Welle zog sich zurück und das Meer nahm neuen Anlauf, um die nächste zu schicken. Terese starrte nach unten, und das Dröhnen in ihrem Kopf nahm zu.
    Es war kein Fisch. Aus dem Wasser ragte eine Hand, die unter der Oberfläche in einen Arm überging. Sie starrte lange auf die Stelle, an der der Arm zur Schulter und schließlich zu einem ganzen Körper wurde. Es war ein Mensch, der dort zwischen den Steinen eingeklemmt lag. Ein schwarzer Mann.
    Sie begann zu wimmern, als sie begriff, dass sie genau dort mit ihrem Fuß gestanden hatte. Sie war auf eine Leiche getreten. Auf die Brust oder den Bauch, sie wollte es gar nicht genau wissen. Sie schluchzte, hustete und schleppte sich rückwärts die Klippen empor, schabte so fest es ging an den rauen Steinen entlang, um dieses glitschige, weiche Gefühl auf den Fußsohlen loszuwerden.
    Aber sie konnte dem Drang nicht widerstehen, noch einmal nach unten zu blicken. Es war tatsächlich ein Mann, der dort lag.Jetzt sah sie ihn deutlich. Seine Haut war schwarz und glänzte im Wasser. Wie ein Fisch, ein Aal, ein schleimiges Wesen, das im Wasser lebte. Er war vollkommen nackt. Sie glaubte zu erkennen, dass ein Tier über seine Schulter kroch und beugte sich unwillkürlich noch einmal vor. Die nächste Welle schlug gegen die Steine und an das Ufer, spritzte ihr ins Gesicht und zog sich wieder zurück, das Wasser brodelte und schäumte um die Leiche herum. Es sah aus, als bewegte sie sich. Eine Sekunde lang stellte Terese sich vor, dass der schwarze Mann sich aus dem Meer erheben, mit der Hand nach ihrem Fußgelenk greifen und sie ins Wasser ziehen würde – was wäre, wenn er noch lebte!
    In diesem Moment brach zwischen den Bergen das erste Morgenlicht hervor und färbte das Meer grün. Sie sah dem Toten direkt ins Gesicht. Seine Augen waren geschlossen, doch sein Mund war zu einem weiten Schlund aufgerissen, wie in einem stummen Schrei erstarrt, und die weißen Zähne leuchteten darin auf und wogten unter dem Wasser.
    Oh Gott, Papa, bitte hilf mir, dachte Terese, ich bin vollkommen allein hier.
    Dann drehte sich ihr der Magen um, und sie drückte die Hand gegen den Mund, während sie die Felsbrocken überquerte und auf der anderen Seite hinabstürzte. Sie musste sich noch immer übergeben, als sie strauchelnd davonrannte.

NEW YORK
    MONTAG, 22. SEPTEMBER
    Laut Tabelle war ich in der siebten Woche. Ich hatte den Schwangerschaftstest so lange wie möglich hinausgezögert und gehofft, Patrick würde von seiner Reise zurückkehren. Dann hätten wir es zusammen hinter uns bringen können – nicht das Pinkeln, versteht sich, das ginge zu weit, aber das Warten. Darauf, dass der Strich sichtbar wurde.
    Mein Puls beschleunigte sich, als ich das Handy aus der Jackentasche holte. Möglicherweise hatte ich im Verkehrslärm ein Gespräch verpasst.
    Aber das Display war leer.
    Ich redete mir ein, dass es eine logische Erklärung dafür gäbe. Patrick brannte für seinen Job, und er hatte sich in der Vergangenheit schon mehrmals so tief in eine schmutzige und komplizierte Geschichte hineingegraben, dass er alles andere vergaß. Vor drei Jahren hatte er sich einmal eine ganze Woche lang nicht bei mir gemeldet, das war vor unserer Heirat, und ich war damals vollkommen überzeugt gewesen, dass er kalte Füße bekommen hatte und mich verlassen wollte. Schließlich stellte sich heraus, dass er sich in die Gesellschaft einiger Kleinkrimineller in Washington D.C. begeben hatte und dort wegen seiner gründlichen Undercover-Recherche in U-Haft saß. Er war mit einer gebrochenen Rippe zurückgekehrt und einer Reportage, die für den Pulitzerpreis nominiert wurde.
    Zum elften Mal an diesem Morgen drückte ich die Kurzwahltaste.
    Wenn du jetzt drangehst, verspreche ich dir, dass alles so wird,wie du es dir wünschst, dachte ich, während das Telefon wählte. Wir verlassen Manhattan und kaufen dieses Haus in Norwood, New Jersey, und wenn es inzwischen verkauft ist, finden wir ein genauso schönes,
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