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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung
Autoren: Tove Alsterdal
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mir.
    Name des Vaters.
    Früher oder später würde ich wohl gezwungen sein, das Feld auszufüllen. Unbekannt , würde ich schreiben und behaupten, ich wisse es nicht, doch in einer Mappe ganz unten im Koffer auf meinem Zimmer bewahrte ich zwei kleine Dinge auf: meinen Ehering und das Foto, mit dem ich kreuz und quer durch Europa gereist war. Eines Tages würde ich dem Kind von seinem Vater erzählen. Wenn es alt genug war, um zu schweigen.
    Plötzlich fiel mir etwas ganz anderes ein.
    »Diese Angaben werden wahrscheinlich irgendwo registriert?«, fragte ich.
    Das Wort registrieren war jedenfalls in meinen Wortschatz eingemauert, das lernte man in einer kommunistischen Bürokratie bereits als Dreijährige.
    »Nein, das ist nur für uns hier am Empfang«, sagte die Sprechstundenhilfe, »damit wir unsere Patienten nicht verwechseln.« Sie warf mir einen Blick zu, der wohl besagen sollte, dass wir mit unseren dicken Bäuchen sowieso alle gleich aussahen.
    »Aber ich meine ... später, im Krankenhaus und so.«
    »Wenn das Kind in Tschechien geboren wird, dann wird natürlich die Geburt registriert.«
    »Auch die Vaterschaft?«
    »Ja, natürlich.« Die Frau heftete mein Formular an das schwarzweiße Ultraschallbild. »Natürlich nur, wenn man weiß, wer es ist«, fügte sie hinzu.
    »Und wie war das früher?«, fragte ich und tat so, als hätte ich ihren Kommentar überhört. »Unter den Kommunisten, unter Husák ... in den Siebzigern? Wurde so etwas damals auch registriert?«
    Die Sprechstundenhilfe brach in Gelächter aus.
    »Machen Sie Scherze? Die registrierten, mit wem man sich traf, was man zum Frühstück aß, welche Bücher man las. Natürlich registrierten sie auch die Väter der Kinder.«
    Im nächsten Moment läutete die Klingel am Eingang, und eine Frau mit hervorstehendem Bauch kam herein, den Blick auf den Boden gerichtet, den Kopf verschleiert.
    Terese Wallner bekam einen neuen Kontrolltermin im nächsten Monat.
    Ich verließ die Arztpraxis, die in einem normalen Mietshaus auf der Kleinseite versteckt lag, und trat auf die Straße. Der Dezember hatte Prag mit einer beißenden Kälte erreicht. Ich hauchte mir in die Hände und schlang den Mantel enger um mich. Es war ein unförmiger Herrenmantel aus einem Secondhandladen, von dem ich hoffte, das er die nächste Zeit überstehen würde. Ich steckte meine Hände in die Taschen und ging mit schnellen Schritten in Richtung des Flusses.
    Auch heute hatte es wieder funktioniert. Ich war Terese, eine junge Schwedin, die für unbestimmte Zeit zu Besuch in Prag war.
    Ich hatte mir einen überladenen, schwedischen Akzent antrainiert und gewöhnte mich langsam daran, wie eine Figur aus der Muppet Show zu klingen. Wenn jemand unangenehme Fragen stellte, hatte ich Tschechisch von meiner Großmutter gelernt, die in Böhmen geboren war, obwohl ich nicht genau wusste, wo das eigentlich lag. Wir hatten den Kontakt zu diesem Familienzweig verloren. Das war einer der Gründe, warum ich in Prag war – um die Sprache besser zu lernen.
    Bisher hatte ich Glück gehabt und war noch keinen Schweden begegnet. Hingegen war ein Arbeitskollege eines Tages, als er betrunkener war als üblich, auf mich zugestürmt und hatte mein Volk beschuldigt, die Silberbibel gestohlen zu haben. Ich flüchtete, bevor er sie zurückfordern konnte.
    Alena Cornwall wurde für tot gehalten.
    Rein juristisch konnte sie zwar nicht für tot erklärt werden,weil ihre Leiche nie gefunden wurde, aber die tragische Geschichte war bekannt.
    Ab und zu besuchte ich ein Internetcafé – nie dasselbe zweimal hintereinander – und las, was die Zeitungen schrieben.
    Am Tag nach Patricks Beerdigung hatte Richard Evans für die Onlineausgabe von The Reporter einen Artikel verfasst, in dem er Patrick Cornwalls journalistische Großtat würdigte. Er schrieb auch über den Mut seiner Ehefrau, Alena Cornwall, die einige Wochen nach dem Tod ihres Mannes verschwand. Ein Abschiedsbrief, den sie an ihren Assistenten geschickt hatte, deutete darauf hin, dass sie sich im »Meer der Trauer« das Leben genommen hatte – demselben Todesmeer, das auch Patrick Cornwall das Leben gekostet hatte.
    Irgendwie war er an unser Hochzeitsfoto gekommen, und Benji hatte sich offenbar kooperativ gezeigt, denn mein letzter Brief wurde zitiert: »Ich habe keine Kraft mehr, weiterzuleben. Ich hoffe, dass du deine Liebe findest, und wenn Du es tust, Benji, dann halte an jedem Augenblick fest.«
    Etwa einen Monat später tauchte Patricks Name in
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