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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung
Autoren: Tove Alsterdal
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und sich gefragt, wer sie war. »Stell keine Fragen«, fauchte er. Dann war ihr trolley gekommen und hatte den Pass einbehalten.
    Der Bus fuhr in einen Tunnel. Sie konnte das Ende nicht sehen, nur weiße Wände und Lichtstreifen an der Decke. Der Tunnel schien endlos zu sein. Sie schielte zu dem Mann neben sich. Sie würde tun, was er ihr sagte. Der Mann in Cádiz wusste, wer ihre Eltern waren.
    Endlich verließen sie den Tunnel, und da konnte sie das Meer sehen. Sie kauerte sich in ihren Sitz. Hauptsache, ich muss nicht Boot fahren, dachte sie, und unzählige Lichtflecken schwirrten vor ihren Augen, sie bekam keine Luft mehr. Die Straße stieg vor ihr auf, und sie sah die Brücke, eine gewaltige Brücke, die sich auf hohen Pfeilern nach oben schwang, und weit in der Ferne, am Ende der Brücke, sah sie eine Stadt und klammerte sich an die Armlehne ihres Sitzes. Dort muss ich hin, dachte sie, auf die andere Seite des Meeres.
    Sie schloss die Augen. Sefi wäre sicher bei der Frau mit den vielen Ketten geblieben. Sie hätte sich damit zufriedengegeben, versorgt zu werden und fernzusehen. Sefi war faul. Sie wäre nicht durch das Haus geschlichen und hätte nach Geld gesucht, als die Hausherrin weg war, hätte nicht gestohlen, um sich die Busfahrkarte kaufen zu können.
    Gott hat für solche Kleinigkeiten keine Zeit, hatte Mary Kwara gedacht, aber sie hatte dennoch um Vergebung gebetet, vorsichtshalber. Wenn sie nicht nach Cádiz gefahren wäre, hätten die Elterndie Schulden bezahlen müssen und Sefi und ihre Kinder, und falls die Brüder jemals etwas aus South-South zurückschickten, würden die Schlepper auch das einbehalten.
    Mit Herzklopfen hatte sie sich aus dem Haus geschlichen, in dem sie so viele Nächte verbracht hatte. Sie hatte mehrere Stunden gebraucht, um den Busbahnhof in Tarifa zu finden, es war ein kleiner Bahnhof. Sie kaufte das Ticket für den Bus. Als sie über die Berge fuhr, sah sie die Stadt weit unten liegen, wie einen Haufen Zuckerwürfel, die jemand am Strand entlang verstreut hatte, dann bog der Bus ab, und um sie herum war alles ländlich.
    Während sie Kilometer um Kilometer an Bergen, Feldern, Städten und Tankstellen vorbeifuhr, dachte sie: Wenigstens reise ich vom Meer weg. Nie wieder muss ich das Meer sehen.
    Einmal, in der letzten Nacht, hatte sie geahnt, dass es in der Nähe war, aber sie hatte die Augen geschlossen und gedacht, dass die Dunkelheit sie nur dazu überlistete, Dinge zu sehen, die sie nicht sehen wollte. Geister und Wellen.
    Doch jetzt war es Tag, und sie sah die schwankende, graugrüne Oberfläche auf beiden Seiten der Brücke. Zwischen ihr und der Tiefe waren nur ein niedriges Geländer und die Eisenbahnschienen.
    Sie würde hart arbeiten müssen, um ihre Schulden zurückzuzahlen. Fünf oder vielleicht sogar zehn Jahre. Dann wäre sie frei.
    Sie hätte ein Haus mit weißen Wänden und roten Blumen im Garten und mehrere Zimmer und einen Fernseher und ein eigenes Bett.
    Und ab und zu würde sie nach Hause fahren. Zum ersten Mal auf der gesamten Reise wagte sie es, so zu denken. Wenn ich nach Hause fahre. Wird dann noch jemand da sein, der sich an mich erinnert?
    Die Brücke wurde höher und machte einen Bogen, auf Pfeilern, die groß waren wie Türme. Sie spürte, wie der Bus im Wind bebte.
    Ich heiße Promise, murmelte sie stumm vor sich hin. Ich heiße Promise Makinwa-Keizer.

PRAG
    ZWEI MONATE SPÄTER
    Der weiße Stab glitt über meinen Bauch, der mit kühlem Gel bestrichen war. Etwas rührte sich im unteren Teil des Computerbildes, die Konturen eines kleinen Körpers, der zusammengekrümmt in Zeitlupe umhertrieb, ein schwaches Pulsieren.
    »Das Herz«, sagte der Arzt und deutete mit dem Stift darauf. »Sehen Sie nur, wie regelmäßig und fein es schlägt.«
    Ich lächelte, weil es von mir erwartet wurde, doch das Einzige, was ich sah, war eine elektronische Darstellung auf einem Bildschirm. Eine abstrakte Figur.
    »Wollen Sie den Herzschlag vielleicht einmal hören?«
    Ich nickte, und er legte das Stethoskop auf meinen gewölbten Bauch. Reichte mir den Ohrbügel. Ich hörte Rauschen, ein träges Fließen, ein Pumpen. Wie die Interferenzgeräusche zwischen den Sendern, wenn man an einem alten Radio dreht. Und plötzlich war es da: ein leises, schnelles, energisches Picken, und mir stiegen Tränen in die Augen, mein gesamter Brustkorb schnürte sich zusammen. Ich nahm die Hörer ab und gab sie dem Arzt. Drehte mein Gesicht weg und trocknete mir die Augen.
    Es lebte. Es
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