Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung
Autoren: Tove Alsterdal
Vom Netzwerk:
sich in hohem Tempo, viel wichtiger aber war mir, dass sich kein kleines Gummiboot von der Yacht entfernte.
    Ich strampelte weiter im Wasser und entdeckte, dass sich die Dunkelheit im Osten etwas gelichtet hatte. In wenigen Stunden würde die Sonne aufgehen. Die Asche würde sich auf die Meeresoberfläche legen, und die verformten Reste der Glasfasern würden an Land geschwemmt, vielleicht auch die Leichen derer, die im Meer gestorben waren.
    Ich wandte mich wieder nach Norden und schwamm mit regelmäßigen Zügen in Richtung Land.

ÖRESUND
    ZWEI WOCHEN SPÄTER
    »Jetzt hältst du den Mund.« Er verpasste ihr mit dem Ellbogen einen Knuff in die Seite.
    Sie schlug die Augen nieder und dachte, dass er das nicht hätte sagen müssen. Seit sie die erste Grenze passiert hatten und über die Berge gefahren waren, hatte sie kein Wort gesagt. Tag wie Nacht, im Bus sitzend. Es war ein warmer Bus, mit weichen Sitzen. Sie reiste bequem. Sie konnte sich zurücklehnen und schlafen und daran denken, was sie erwartete.
    »Antworte nicht, wenn sie dich etwas fragen«, zischte er ihr ins Ohr. »Du bist eine Frau, du hast zu schweigen. Das verstehen sie. Sie wissen, wie es ist.« Er klopfte sich gegen die Brust. »Ich kümmere mich um das Reden.«
    Dann stöpselte er sich die Kopfhörer in die Ohren, und sie hörte leise die Musik, den Rhythmus. Sie wandte sich ab und sah aus dem Fenster. Nie zuvor hatte sie so viele verschiedene Grautöne gesehen. Der Himmel war blassgrau mit dunkelgrauen Wolken, die über sie hinwegzogen, der Asphalt, über den der Bus rollte, stahlgrau, und der Rauch aus den vielen, hohen Schornsteinen stieg bis zu den Wolken hinauf und vermischte sein dichtes Grau mit dem des Himmels. Das Gras, das sich am Straßenrand wiegte, hatte sich gelbgrau verfärbt.
    Sie dachte an ihren neuen Namen, jenen, der in ihrem Pass stand.
    Das Bild sah ihr nicht besonders ähnlich, der Name fühlte sich an wie eine Blase am Fuß.
    Ein Mensch besteht nicht nur aus seinem Namen, dachte sie. Wenn die Letzten mich vergessen haben, bin ich weg.
    Und sie dachte an Sefi, die bald heiraten würde. Sefi hätte die ganze Fahrt über geplappert. Zum Glück war nicht sie auf die Reise gegangen. Sefi hätte sich mit einem warmen, gemütlichen Bett zum Schlafen zufriedengegeben, einem eigenen Zimmer mit Aussicht durch einen kleinen Schlitz im Fenster. Sie hätte sich nicht nach Cádiz durchgeschlagen, und die Familie wäre für alle Zeiten auf ihren Schulden sitzengeblieben. Wenn Sefi nach Europa gereist wäre, würde die Mutter nie ein eigenes Haus bekommen.
    Mary Kwara reckte vorsichtig den Hals, als sie Schilder näherkommen sah. Der Mann durfte nicht sehen, dass sie neugierig war. Der Text rauschte an ihr vorbei und sagte ihr nichts, aber sie behielt den Namen im Gedächtnis. Einige davon würde sie später vergessen, wie sie auch Barcelona, Perpignan und Stuttgart vergessen hatte, nachdem sie hinter ihr verschwunden waren. Sie überlegte, wie weit nach Norden man fahren musste, bevor sich die Welt wieder nach unten neigte.
    Malmø, dachte sie. Sweden. København. Ein Flugzeug donnerte tief über ihre Köpfe hinweg.
    Sie würde tun, was vor Antritt ihrer Reise geplant war: Ihre Mutter hatte eine Vereinbarung mit den Männern getroffen, die das Geld für die Reise geliehen hatten, sie waren Cousins von irgendjemandem, den sie kannten. »Sie verschaffen dir einen Job. Und Papiere.« Großmutter hatte ihr ein Amulett für den Hals mitgeben wollen, das vor bösen Geistern und der Pest schützte. »So eine Hexerei gibt es in Europa gar nicht«, hatte die Mutter gezischt. Sie hatte das Amulett dagelassen, aber die Adresse des Mannes in Cádiz hatte sie auswendig gelernt.
    Niemals würde sie jemandem von ihrer Reise erzählen. Ihre Mutter würde es nicht wissen wollen. Sefi würde anfangen zu weinen. Die Brüder waren in South-South, fanden keine Arbeit, kauften von ihrem letzten Geld Burukutu und ließen sich volllaufen.
    Doch dem Mann in Cádiz hatte sie von den Schurken erzählt, die die Menschen ins Meer geworfen hatten. »Das hat mit uns nichts zu tun«, sagte er. »Das waren Bösewichte. Sie machen dreckige Geschäfte.«
    Last exit in Denmark, war auf einem Schild zu lesen.
    Der Mann in Cádiz hatte sie eingeschlossen, während sie auf ihren trolley wartete. Er zeigte ihr den Pass. »Lern den Namen auswendig«, zischte er ihr zu. So sprach er, zischend wie ein Topf, der gerade überkochte. Mary Kwara hatte auf das Bild einer Frau geschaut
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher