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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien
Autoren: Michael Ridpath
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gab es nicht, aber ringsherum an den Wänden lagen verglaste Konferenzräume. Am Ende eines turbulenten Tages sah der Saal aus, als hätte ihn ein Hurrikan heimgesucht: Ein Durcheinander von Stühlen, die Schreibtische übersät mit Bildschirmen, Computern, Telefonen und Gegensprechanlagen, und überall stapelten sich die Papiere. Die Trader schlenderten umher, streckten sich, schlürften Kaffee und plauderten.
    Auf dem Weg zum Ausgang am anderen Saalende kam ich an unserer Aktienabteilung vorbei. Eigentlich war Harrison Brothers für seine Sachkenntnis auf den Rentenmärkten bekannt, glaubte es aber seinem Ruf schuldig zu sein, auch am Aktienmarkt präsent zu sein. Die kleine Gruppe der Aktienhändler saß unter einem riesigen Börsenticker, der wie ein Wandfries aussah und ständig die aktuellsten Kurse der an der New Yorker Börse notierten Aktien zeigte. Das Ding nutzte praktisch niemandem von uns, aber Bob Forrester glaubte, es verleihe dem Saal das Flair einer echten amerikanischen Investmentbank – ganz abgesehen davon, daß es ihm Gelegenheit gab, sein persönliches Portfolio immer auf dem neuesten Stand zu halten. Für die einzigen Leute, die vielleicht berufliches Interesse an dem Börsenticker gehabt hätten, war er leider völlig wertlos, weil sie ihn nicht sehen konnten. Sie saßen direkt unter ihm.
    Eine weitere Forrester-Idee war das braune HB-Logo auf allen Säulen und Wänden, das jeder Fernsehkamera ins Bild geraten mußte, die unseren Saal als passenden Hintergrund für die tägliche Börsenberichterstattung benutzte. Der Saal sollte einen professionellen Eindruck machen.
    An dem Wasserspender beim Ausgang blieb ich stehen und nahm mir einen Becher. Auch in der Aktienabteilung war man dabei, sich nach einem harten Tag langsam zu entspannen. Mit einer Ausnahme: Karen. Sie saß an ihrem Platz, den Hörer zwischen Wange und Schulter geklemmt, die langen Beine auf einem Stuhl. Trotz aller Aufregung, die es heute gegeben hatte, wiesen der gelbe Rock und die weiße Seidenbluse kein Fältchen auf, und sie sah so frisch aus, als wäre es acht Uhr morgens.
    »Ohne Flachs, Martin, das haben Sie wirklich getan?« Sie lachte leise ins Telefon. Während ich mein Wasser in kleinen Schlucken trank, lauschte ich. »Also, wie viele Wal-Mart sollen es nun sein?«
    Sie strich sich das feine blonde Haar aus den Augen und winkte mir heimlich zu. Dann wandte sie sich einem Trader zu, der seine Sachen schon zusammenpackte. »He, Jack! Bevor du gehst, wie steht der Briefkurs für Wal-Mart?«
    ZWEI
    Dieses Atrium war lächerlich. Es schien im wesentlichen Wasserfälle, polierte Skulpturen und ausgewachsene Bäume zu beherbergen, und für die Büroräume blieb nur eine dünne Schale drum herum.
    Ich betrachtete die dunklen Anzüge, die sich im riesigen Atrium versammelt hatten. Sie war noch nicht da. Beide waren wir zu der Einweihungsfeier geladen worden, mit der die Banque de Genève et Lausanne ihre Londoner Niederlassung eröffnete. Normalerweise drückte ich mich vor solchen Anlässen, aber Barry, der Chefhändler der Bank in London, hatte darauf bestanden, daß ich teilnahm. Ich kannte niemanden und hielt mich etwas verloren an einer fünfzehn Meter hohen schwarzen Marmorsäule und einem Glas Champagner fest.
    Was für ein Tag! Zwei Millionen Dollar hatte ich in den Sand gesetzt. Egal, wie man es betrachtete, es war ein Haufen Geld. Zwar würde es meine jährliche Gewinn-und-Verlust-Rechnung verkraften – Ed und ich waren bis zu dem fatalen Ereignis mit drei Millionen Dollar im Plus gewesen –, aber die Tatsache, daß mir ein derartiger Betrag verlorengegangen war, hatte mich tief in meinem Stolz getroffen, zumal ich Greenspans Absicht vorausgesehen und trotzdem nichts getan hatte.
    Dennoch hatte ich den Tag auf eine geradezu widersinnige Weise genossen. Ich sah mich einer echten Herausforderung gegenüber – ich mußte an einem unberechenbaren Markt zwei Millionen Dollar wettmachen. Und ich war entschlossen, mir alles zurückzuholen. Es ging um meinen Ruf. Für einen Trader gibt es nichts Wichtigeres als die jährliche Gewinn-und-Verlust-Rechnung.
    Und meine bisherige Erfolgsbilanz konnte sich sehen lassen. Vor zwei Jahren hatte ich das firmeneigene Handelsbuch von Harrison Brothers übernommen. Im ersten Jahr hatte ich acht Millionen für die Firma verdient, und im zweiten Jahr waren es fünfzehn Millionen Dollar gewesen. Nicht schlecht für einen achtundzwanzigjährigen Trader. Und die geschäftlichen Erfolge
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