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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien
Autoren: Michael Ridpath
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auf Vorlauf und achtete auf jede Einzelheit. Wie zuvor konnte ich um 14.46 Uhr GMT sehen, fast fühlen, wie sich die Erde unter mir hob. Diesmal konzentrierte ich mich auf die Gebäude in meiner Umgebung. Eine heftige Bewegung erfaßte sie. Einige wurden höher, andere niedriger. Rechts von mir befand sich eines, das ursprünglich zu den niedrigsten gehört hatte, nun aber mehrstöckig in die Höhe wuchs und sich zu einem kleinen Wolkenkratzer entwickelte. An seiner Seite prangte das Firmenzeichen von Renault. Ich zeigte auf die Tür und klickte sie an. Groß und deutlich erschien die Inschrift »Renault 6% 1999«.
    »Die Rendite für die neue Renault ist gewaltig nach oben gegangen. Sieh zu, ob du ein paar kriegen kannst«, sagte ich.
    »Wie viele?« fragte Ed.
    »Hundert Millionen Franc sollten reichen, wenn so viele zu haben sind.«
    »Okay.« Ich hörte Ed am Sprechkasten mit den Tradern in Paris verhandeln. Er forderte sie auf, die Anleihen für uns zu kaufen. Eine Minute später war der Auftrag ausgeführt. Fasziniert beobachtete ich, wie das Gebäude erzitterte und um ein paar Stockwerke in sich zusammensank. Unser Kauf hatte den Kurs der Renault-Anleihen bereits beeinflußt, und Bondscape hatte es bemerkt.
    »Erledigt«, sagte Ed. »Was verkaufen wir?«
    Meine nächste Aufgabe bestand darin, die Hügel nach Papieren abzusuchen, die zu teuer waren. Das mußte rasch geschehen. Ich wollte vermeiden, daß der Markt weiter nachgab, bevor wir etwas verkauft hatten.
    »Ich probier’s mit dem Adler«, sagte ich. Der Adler war ein intelligenter Softwareberater, das heißt ein künstliches Programmgeschöpf, das die Daten nach bestimmten Kriterien durchkämmte. Per Knopfdruck wies ich den Adler an, Anleihen zu suchen, deren Kurs in den letzten beiden Stunden deutlich angezogen hatte.
    Rasch flog der Adler ein kurzes Stück den Hang hinauf und umkreiste die niederländische Flagge. Ich folgte ihm. Er schwebte über einer niederländischen Staatsanleihe mit fünfjähriger Laufzeit, die ein Loch im Boden hinterließ, weil ihre Rendite so niedrig war.
    »Okay, Ed. Ich hab’ eine gefunden. Verkauf die siebeneinhalbprozentige niederländische Staatsanleihe von neunundneunzig!«
    »In Ordnung«, sagte Ed. Dreißig Sekunden, und der Handel war abgeschlossen.
    Ermutigt setzte ich die Erkundung der Landschaft fort. Dabei unterhielt ich mich ständig mit Ed und vergewisserte mich, daß sich die Echtwelt auch wirklich mit der virtuellen deckte.
    »Erde an Astronautenanwärter, Erde an Astronautenanwärter, bitte kommen!«
    Als ich die Datenbrille hochschob, sah ich die hochgewachsene Gestalt von Greg auf mich zukommen. Er trug eine Tasse Kaffee. Die Manschetten hatte er hochgeschlagen, sein gelber Schlips war auf Halbmast und der Kragenknopf geöffnet. Trotzdem sah er ruhig und gelassen aus.
    »Was treibst du da, Mark? Sondierst du die Zukunftsmärkte auf Alpha Centauri? Denk dran, ich verkaufe.«
    Ich grinste ihn an. Ursprünglich kam Greg aus New Jersey, lebte aber schon seit zwei Jahren in London. Wir waren gute Freunde geworden.
    »Willst du mal einen Blick auf die Anleihen werfen?« fragte ich ihn. Damit meinte ich den Markt der US-Staatsanleihen, in dem Greg handelte.
    »Mann, das ist doch ein Horrorfilm. Blut und Leichen überall. Hast du nicht was Erbaulicheres?«
    »Halt die Klappe und setz das auf! Du brauchst jede Hilfe, die du kriegen kannst.«
    Greg seufzte. »Da hast du recht.« Er nahm sich die zweite Datenbrille.
    Ich brachte ihn zu dem Teil des Berges, der die langfristigen US-Staatsanleihen zeigte. An normalen Tagen lag hier ein sanft ansteigender Hang, übersät mit einstöckigen Bungalows gleicher Bauart. Heute erblickten wir etwas, das eher einer Stadt in der Toskana ähnelte: ein Durcheinander von Gebäuden der verschiedensten Form und Größe, die sich auf einem schroffen Abhang zusammendrängten.
    »Was für ein Schlamassel!« sagte Greg. Rasch hatte er das Prinzip von Bondscape begriffen und konnte viele der ungewöhnlichen Erscheinungen erklären: »Kein Wunder, daß die Neuneinhalbprozentigen so teuer aussehen. Bei denen ist der Zinscoupon schon vor Jahren abgetrennt worden.«
    Greg kannte die Beziehungen aller Anleihen, mit denen er handelte, bis ins kleinste Detail. Als er sich direkt auf eines der Gebäude stellte, die verschiedene Anleihen repräsentierten, und auf raschen Vorlauf schaltete, konnte er einige auffallende Veränderungen beobachten.
    »Die Achter von einundzwanzig«, sagte er
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