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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien
Autoren: Michael Ridpath
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Ereignissen überrascht worden.
    »Gegenüber dem Stand von gestern abend haben wir zwei Komma vier Millionen Dollar verloren«, sagte Ed.
    Zwei Komma vier Millionen! Die Gewinne von zwei Monaten, verpulvert in zehn Minuten. Ich gönnte mir dreißig Sekunden, um auf meine Dummheit, den Markt, Alan Greenspan, Ed und noch mal meine Dummheit zu fluchen. Das mußte raus. Damit der Kopf klar wurde. Damit ich überlegen konnte, was als nächstes zu tun war.
    »Und nun?« fragte Ed mit ängstlichem Gesicht.
    Stimmt, ich hatte Eds Frage nicht beantwortet. »Keine Panik«, sagte ich. »In diesem ganzen Durcheinander tanzen einige Anleihen bestimmt aus der Reihe. Wenn wir sehen, daß irgendeine besonders billig wird, schlagen wir zu.«
    So leicht, wie das gesagt war, ließ es sich leider nicht in die Tat umsetzen. Wir mußten nämlich alle Rentenmärkte im Auge behalten, und da sich in jedem wilde Kursbewegungen abspielten, konnten wir sie im einzelnen nicht exakt bewerten.
    Bob Forrester blickte mir über die Schulter, was ich mehr spürte, als daß ich es sah. Bob, ein massiger, breitschultriger Amerikaner Mitte Vierzig, leitete das Londoner Büro von Harrison Brothers. Er war selbst ein sehr erfolgreicher Trader gewesen. Nachdem er die Ankündigung auf seinem Reuters-Bildschirm entdeckt hatte, war er eiligst in den Handelssaal heruntergekommen. Forrester sah besorgt aus. Natürlich wußte er genau, wie Harrisons Positionen am Abend zuvor bei Börsenschluß ausgesehen hatten. Trotzdem lag Mißbilligung in seinem Blick, als er die Panik sah, die sich allenthalben breitmachte.
    »Alles in Ordnung, Mark?« fragte seine rauhe Stimme.
    Ich drehte mich um und begegnete seinem Blick. »Es hat uns bös erwischt«, antwortete ich kaltblütig. »Aber da gibt’s noch Möglichkeiten genug. Das holen wir wieder rein.«
    Bob sah mich einen Augenblick an. Dutzende von Malen hatte er sich schon in der Situation befunden, in der ich jetzt steckte. »Gut so, Mark«, sagte er, klopfte mir auf die Schulter und ging weiter zu Etienne, der auf Greg einredete, seine Position abzustoßen.
    An manchen Tagen war Etienne brillant, an anderen neigte er zur Hysterie. Heute war einer der anderen Tage, und die Hysterie war ansteckend. Ganz anders Bob, und genau diese Ausstrahlung brauchten wir, damit der Saal sich ein bißchen beruhigte.
    An die Arbeit. Auf der Suche nach günstigen Gelegenheiten überflog ich die Bildschirme vor mir mit ihren Kursen und Renditen. Ich erwog einige Strategien, aber bevor ich sie richtig überprüft hatte, hatten die Preise sich schon wieder bewegt. So ging es nicht.
    Ich blickte zu Ed hinüber, der auf dem Platz neben mir mit ähnlich fruchtlosen Bemühungen beschäftigt war. »Machen wir einen Versuch mit Bondscape?«
    »Du meinst live?«
    »Ja. Trockenübungen haben wir genug hinter uns. Wir können nicht ewig üben. Und das ist die einzige Möglichkeit, einen raschen Überblick über diesen Markt zu kriegen.«
    »Aber wir haben die Software noch nicht mal portiert.« Ed meinte damit, daß wir sie noch nicht an unser Betriebssystem angepaßt hatten.
    »Vergiß es! Wir holen uns den Computer einfach und schließen ihn an. Für solche Kunststücke ist keine Zeit.«
    Bei Bondscape handelte es sich um ein vollkommen neues Computersystem zur Analyse von Rentenmärkten. Es beruhte auf der Virtuellen Realität, kurz VR genannt, einer Computertechnik, die dem Benutzer das Gefühl vermittelt, er befinde sich tatsächlich in einer computererzeugten künstlichen Welt. Bondscape war hervorragend. Entwickelt hatte es Richard Fairfax, mein Bruder.
    Also gingen Ed und ich eine Treppe hinunter in den Informationsdienst, die neueste Bezeichnung für die Computerabteilung. Dort schnappte ich mir einen der Computerspezialisten und überredete ihn, uns zu helfen. Zunächst mußten wir das Bondscape-System in den Handelssaal tragen. Es war schwer und mit einer Vielzahl von Kabeln, Steckern und Anschlüssen bestückt. Doch nach zehn Minuten war alles an Ort und Stelle und betriebsbereit. Die anderen Trader waren viel zu vertieft in ihre Geschäfte, um auf uns zu achten.
    Als ich mich wieder auf meinen Stuhl setzte, stand der Bondscape-Computer neben mir. Ich nahm den Stab, einen fünfzehn Zentimeter langen Zeigestock, auf dessen Griff sich ein paar Knöpfe befanden. Dann setzte ich die Datenbrille auf, nicht viel größer als eine Sonnenbrille. Doch statt der Gläser gab es für jedes Auge ein Flüssigkristalldisplay – wie zwei winzige
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