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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien
Autoren: Michael Ridpath
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schließlich. Gemeint waren die US-Staatsanleihen zu acht Prozent mit einer Laufzeit bis November 2021. »Die Dinger sind viel zu billig. Ich muß los!« Damit drückte er mir die Datenbrille in die Hand und machte sich eiligst auf den Weg, die Anleihe zu kaufen. Wie ich Greg kannte, würde es eine große Order werden.
    Gerade wollte ich die Brille wieder über die Augen ziehen, da sah ich Bob Forrester auf mich zukommen.
    »Was spielen Sie hier mit dem Scheiß rum, wenn es an allen Ecken brennt?«
    Das hatte ich erwartet. Ich schob die Brille hoch und sah Bob direkt in die Augen.
    »Unsere Positionen sind im Eimer«, erklärte ich gelassen, »und sie verschlechtern sich immer mehr.«
    Etienne, der neben Bob stand, sah man an, daß er nicht ungern von meinen Problemen hörte.
    Bob runzelte die Stirn, hörte aber zu. »Natürlich sind sie im Eimer. Der Markt ist den Bach runtergegangen.«
    Ich zeigte auf den Computer. »Mit diesem System überschaue ich die Long- und Short-Positionen der Firma auf einen Blick. Und sie ergeben keinen Sinn.«
    »Was soll das heißen?« knurrte Bob.
    »Na, wenn beispielsweise ein Trader eifrig deutsche Staatsanleihen kauft, während ein anderer fröhlich deutsche Eurobonds verscheuert, dann ist das verrückt. Sicher, die Staatsanleihen sind billig, aber die Eurobonds sind noch billiger.«
    Durch ein Farbfilter, das ich aufgerufen hatte, färbten sich die Gebäude blau, wenn Harrison long war, und rot, wenn die Firma short war. Dadurch kristallisierte sich heraus, daß in den anderthalb Stunden nach Greenspans Ankündigung ein paar idiotische Abschlüsse vorgenommen worden waren.
    Bob sah Etienne an: »Nun?«
    Etienne wirkte verwirrt und ärgerlich. Er wußte, daß ich recht hatte, war aber nicht gewillt, es zuzugeben. Schnell hatte er sich wieder gefangen. »Das ist eine gefährliche Sache, Bob. In einem Markt wie diesem verkauft man am besten alles, so rasch es geht. Da kann man seine Zeit nicht mit irgendwelchem High-Tech-Spielzeug verplempern. Wenn der Markt morgen wieder fällt, werden die Positionen, die Greg und Mark geschaffen haben, zum Problem. Zu einem Riesenproblem.« Nachdenklich sah Forrester ihn an. »Nichts ist besser als der Instinkt eines guten Traders. Das wissen Sie doch, Bob.«
    Ich wollte schon protestieren. Mit unseren Positionen würden wir zurechtkommen, egal, in welche Richtung der Markt sich bewegte. Doch als ich Bobs Gesicht sah, zog ich es vor, den Mund zu halten.
    »Ich hoffe nur, Sie verpulvern nicht noch mehr von dem verdammten Geld, mein Junge«, knurrte Bob und verschwand.
    Wieder tauchte ich in die Welt von Bondscape ein. Im Laufe der nächsten Stunde machten wir noch ein paar Abschlüsse, die lohnend aussahen. Schließlich hörte die Landschaft auf, sich zu verändern, was darauf hindeutete, daß der Markt sich wieder beruhigt hatte. Ich nahm die Datenbrille ab und streckte mich. »Wie hoch ist unser Minus jetzt?« fragte ich Ed.
    Er brauchte ein paar Minuten, um es auszurechnen. »Immer noch zwei Komma eins Millionen«, meinte er bedrückt.
    Ich fuhr mir mit den Händen übers Gesicht. Scheiße! Man brauchte lange, um zwei Millionen Dollar zu verdienen, und nun hatten wir sie an einem einzigen Nachmittag verloren. Warum hatte ich bloß heute morgen meine Positionen nicht abgesichert?
    Greg kam herüber und lehnte sich an den Schreibtisch. »Mit wieviel bist du im Keller?«
    »Mit mehr als zwei Millionen. Und du?«
    »Noch ’n Teil mehr. Aber ich hol’ mir’s schon zurück. Bei den Einundzwanzigern hab’ ich eine Long-Position von zweihundertzwanzig.«
    »Himmel! Hoffentlich weißt du, was du tust.«
    »Klar«, sagte Greg und lächelte gelassen. »Dank eurer Maschine. War Bob beeindruckt?«
    »Eher nicht«, sagte ich. »Er setzt wohl mehr auf den Instinkt als auf rationales Denken. Ich kann nur beten, daß unsere Positionen auch halten, was sie versprechen.«
    »Keine Sorge«, sagte Greg. »Das wird schon klappen.« Damit ging er an seinen Platz zurück, um aufzuräumen.
    »Alles in Ordnung, Ed?« fragte ich.
    Ed nickte. Zwar sah er noch immer erschreckt aus, aber er hatte sich gut gehalten.
    »War ein harter Tag«, sagte ich. »Du hast deine Sache gut gemacht.«
    Er lächelte und wandte sich wieder den Belegen über unsere Abschlüsse zu. Ich stand auf und sah mich in dem riesigen Handelssaal um. Hier gab es fast zweihundert Arbeitsplätze, verteilt auf acht lange Reihen. Anleihen, Devisen und Aktien wurden alle im gleichen Raum gehandelt. Fenster
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