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Toechter der Dunkelheit

Toechter der Dunkelheit

Titel: Toechter der Dunkelheit
Autoren: Alexandra Balzer
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nichts mehr zu sehen, außer für jene, die wussten, wohin sie gehen wollten. Zwar hatte Inani verstanden, dass sie nicht gegen einen Baum prallen oder auf sonstige Hindernisse stoßen konnte, denn diese Zwischenwelt war vollkommen leer. Aber Shora erinnerte sich gut genug an ihren ersten Marsch durch den Nebel, um die Ängste ihrer Tochter, sich in der Endlosigkeit zu verlieren, nicht verstehen zu können.
    Zumal diese Sorge berechtigt war.
    „Ruhig, Kleines, gleich sind wir durch.“               
    Ohne Übergang verschwand der Nebel. Düsteres Licht wartete auf der anderen Seite. Neugierig drehte Inani den Kopf überall hin, doch es gab keinen offensichtlichen Unterschied zwischen dieser und der anderen Welt: Sie liefen weiter zwischen Baumstämmen und Sträuchern umher, in pfadloser Wildnis. Dennoch blitzten Inanis Augen, sie atmete rasch und befreite schließlich ihre zitternden Hände von dem Griff ihrer Mutter.
    „Sie spürt die Magie!“, sagte Alanée beeindruckt in der geheimen Sprache.
    „Natürlich, was dachtest du?“ Shoras Atem beschleunigte sich ebenfalls. So lange, zwölf unendliche Jahre, war sie nicht mehr hier gewesen, hatte die magischen Unterströmungen zwischen Erde und Himmel nicht mehr auf der Haut knistern gefühlt und die Nähe ihrer Schwestern entbehren müssen. Endlich war sie Zuhause.
    Eine Lichtung öffnete sich vor ihnen. Mehrere Dutzend Holzhütten standen dort im Kreis um ein Versammlungshaus.
    Spuren eines großen Lagerfeuers waren im Moment das einzige sichtbare Zeichen von Leben, doch Shora spürte die Schwestern, die hier lebten und aus allen Richtungen herbeieilten. Inani stand still, während sie den bleigrauen Himmel absuchte.
    „Mutter, da kommt die Königin, nicht wahr?“, flüsterte sie aufgeregt, lächelte begeistert und starrte dann wieder wie gebannt zum Himmel hinauf. Nur einen Herzschlag später fuhr sie herum, als die Aura, die sie wahrgenommen hatte, sich bewegte und nun hinter ihnen befand. Auch Alanée und Shora drehten sich und begrüßten Kythara, die Königin der Dunklen Schwestern.
    „Willkommen in meinem Reich, Inani“, sagte die hochgewachsene Frau, deren blauschwarze Haare wie Rabenflügel das ausdrucksstarke Gesicht umrahmten. Schlanke Muskeln spielten unter dem schwarzen Kleid, das ihr auf den Körper gemalt zu sein schien. Kraft und Leidenschaft sprachen aus jeder ihrer Bewegungen, als sie auf die Lichtung kam, doch ihre Augen blickten hart und kalt. Das Mädchen zuckte kurz zusammen, wich aber nicht zurück.
    „Wir haben dich vermisst, Shora, es ist schön, dich zu sehen. Und Alanée, du bist so selten daheim“, richtete Kythara nun das Wort an die beiden Frauen. Ihre vertraute, dunkle Stimme zu hören war der Willkommensgruß, den Shora erhofft hatte. Kythara küsste Shoras und Alanées Wangen, strich sanft über Inanis Gesicht; dann schritt sie majestätisch zum Versammlungshaus.
    „Gut gemacht. Vor Kythara darf man keine Schwäche zeigen“, wisperte Alanée.
    „Ist sie böse?“, hauchte Inani mit weit aufgerissenen Augen.
    „Böse? Nein. Du wirst hier Frauen begegnen, die wirklich bösartig sind, doch Kythara ist nur auf ganz gewöhnliche Weise mächtig und gefährlich. „Denk daran, was deine
    Mutter dich gelehrt hat: Gut ist nicht derjenige, der Gutes will, sondern es erreicht.
    Das Böse ist eine Kraft, die in jedem von uns liegt. Das Gleichgewicht ist entscheidend und erst unsere Nachfahren richten über unsere Taten.“
    Inani blinzelte verwirrt, in ihrem Blick lagen mehr Fragen als Erkenntnis. Alanée drückte sich zu kompliziert für ein Kind aus, sie hatte nie die Sorge für eine Junghexe übernommen.
    Während nun von allen Seiten die Dunklen Schwestern herbeiströmten und Shora begrüßten, stand Inani unbeweglich da, mit versteinertem Gesicht, unerreichbar für Worte und Berührungen.
    Verliere ich sie? Oh Göttin, waren die langen Jahre umsonst? Du hast versprochen, dass ich deine tödlichste Klinge schärfen, deine Kriegerin aufziehen darf. Inani ist mein Lebenswerk, allein dir gewidmet. Es kann, es darf nicht sein, dass sie sich für das Licht entscheidet!
     
    Inani erwachte aus ihrer Trance, als ihre Mutter sie hart an der Schulter packte.
    „Alle sind da, komm jetzt!“ Sie spürte, wie unzufrieden ihre Mutter mit ihr war und straffte sich entschlossen. Auf gar keinen Fall wollte sie von Shora getrennt werden oder die Erwartungen enttäuschen, die in sie gesetzt wurden. Aufgeregt folgte sie Alanée und
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