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Toechter der Dunkelheit

Toechter der Dunkelheit

Titel: Toechter der Dunkelheit
Autoren: Alexandra Balzer
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skysh – Schlaf, schlafe tief!“, wisperte Shora, trat direkt hinter die Frau und berührte sie leicht im Nacken. Sofort erschlaffte die Alte. Shora fing sie auf und ließ sie behutsam zu Boden gleiten.
    „Morgen früh, beim ersten Sonnenstrahl, wirst du erwachen und erkennen, dass alles gut ist. Das Kind kam kurz vor Mitternacht, es war zu schwach zum Überleben. Der Priester hat es gesegnet und begraben. Niemand sonst ist zu Schaden gekommen“, flüsterte sie in Linnas Ohr. Shora gehörte zu den wenigen Hexen, deren Luftmagie stark genug für Illusionen und Veränderungen des Gedächtnisses war.
    Sie strich stirnrunzelnd über den Kopf der alten Frau – Krebsgeschwüre zerfraßen Linna von innen, sie würde nicht mehr lange leben.
    „Du willst mich prüfen, Göttin? Oder ist dies zu Ehren Inanis? Dann ist meiner Tochter wohl wahrlich Großes bestimmt? Selten, dass eine Lebenssegnung so weitreichend ist.“
    Shora kniete sich zwischen Kelina und Linna nieder, legte beiden die Hand auf die Stirn und begann leise zu singen, in dieser melodischen, fremdartigen Sprache, die kaum je ein Mensch zu
    Gehör bekam und anschließend noch davon berichten konnte. Mit geschlossenen Augen stillte sie Kelinas innere Blutungen, heilte das gebrochene Becken, stärkte die Lebenskraft des Mädchens. Danach vernichtete Shora die Geschwulste in Linnas Körper und heilte die Entzündung der Zähne, die sonst nach und nach das Blut der Frau vergiftet hätten. Die Alte würde zwanzig, vielleicht sogar dreißig weitere Sommer leben können.
    Shora zitterte leicht, als sie sich erhob. Um Linna wirklich zu retten, musste sie nun noch die Erinnerung von allen Menschen auf diesem Gutshof verändern und den Priester dazu anstiften, ein leeres Kindergrab zu segnen.
    Ah, vielleicht kann ich die Pferdeknechte auslassen, die waren im Stall , dachte sie müde. Doch dann schüttelte sie energisch den Kopf. Solche Nachlässigkeiten waren es, die Tod und Verderben über die Schwesternschaft brachten. Woher wollte sie mit Sicherheit wissen, dass keine der Küchenmägde in den Stall gekrochen war, um die gefürchtete Hexennacht nicht allein verbringen zu müssen, und dabei die Neuigkeiten mit sich getragen hatte, dass dem Schmied Jaob erst nach Mitternacht eine Tochter geboren wurde? Nein, es mussten alle sein, auch, wenn das Stunden voller Mühsal bedeuten würde, in denen sie sich vollständig verausgabte und sie anschließend tagelang auf Alanées Hilfe angewiesen war. Falls sie überhaupt vom Rat freigesprochen wurde und ihr Lebensrecht behielt.
    Nun auf!Eine Hexe hat zahllose Pflichten, ich darf nicht müßig sein ...
     

3.
     
    „So lautet das zweite Gesetz der Dunklen Schwestern:
    Wer in die Gemeinschaft aufgenommen wird, muss zwölf Jahre lang unter der Führung einer Hexe leben, die Gesetze ehren, der Göttin nahe gebracht werden. Es darf dem Mädchen an nichts mangeln, noch darf sie misshandelt oder verstoßen werden, es sei denn, sie bricht wissentlich die Gesetze der Gemeinschaft. Nach Ablauf der zwölf Jahre wird sie geprüft, und ist sie geeignet für das Leben einer wahren Dunklen Schwester, als Novizin angenommen. Zeigt sich aber, dass sie nicht für den Schatten der Nacht, sondern für das Licht des Tages geschaffen wurde, schicke man sie zurück in die Welt jenseits des Nebels, und tue ihr kein Leid an – sie weiß nichts, was sie verraten könnte, lebendig wird sie nützlicher sein.“
    Yosi von Rannam, „Töchter der Dunkelheit“
     
    „Halt endlich still, sonst muss ich wieder von vorne
    beginnen!“, befahl Shora ungeduldig. Sie versuchte, die unbändigen rotblonden Locken ihrer Ziehtochter zu einem komplizierten Zopf zu flechten. Doch nicht nur die Haare waren widerspenstig, auch deren Besitzerin konnte keinen Moment ruhig sitzen. „Wie soll ich dich dem Rat der Schwestern präsentieren, wenn du wie ein Kleinkind zappelst? Soll ich sagen: Verzeiht, Inani ist noch nicht fähig, sich zu beherrschen, lasst uns die Prüfung bitte um zehn Jahre verschieben?“ Shora fluchte, als ihr die Flechten durch eine ruckartige Bewegung aus den Händen gerissen wurden.
    „Ich werde mir mehr Mühe geben“, rief das Mädchen erschrocken, und rutschte dabei weiter auf ihrem Stuhl herum. Seufzend griff Shora nach dem Hornkamm und begann, die schon wieder neu verfilzten Strähnen zu glätten.
    „Es ist wahrscheinlich sowieso sinnlos. Dieser Busch von Haaren ist wie üblich nicht zu zähmen.“ Schweigend kämpfte sie sich voran, und
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