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Todeswald

Todeswald

Titel: Todeswald
Autoren: Ritta Jacobsson
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möglich rückwärts mit Auto heran, dann hievten wir Glöckchen vorsichtig auf den Rücksitz. Sie winselte, wehrte sich aber nicht.
    „Vielen Dank, Svea!“, sagte Linus’ Mutter.
    Ich schluckte. „Lass von dir hören … wenn ihr Bescheid wisst“, sagte ich.
    Linus fuhr sich mit den Fingern durch die blonden Haare, die ihm immer wieder in die Augen fielen, und nickte kurz.
    Dann fuhren sie davon.
    Schweren Schrittes ging ich durch den Wald nach Hause. Wuff trippelte mit hoch erhobenem Schwanz vor mir her. Sie hatte die schreckliche Entdeckung bereits hinter sich gelassen. Aber ich war unruhig.
    Wie schwer war Glöckchen verletzt? Würde sie es überstehen?
    Jemand, der einen verletzten Hund im Wald seinem Schicksal überließ, musste wirklich ein Monster sein!

KAPITEL 4
    Mama saß vor einer aufgeschlagenen Zeitung am Frühstückstisch, als ich nach Hause kam. Sie trug den karierten Morgenrock aus Flanell, der immer wie ein Zelt um ihren schlanken Körper schlabbert. Wenn Papa da ist, tauscht sie ihn gegen einen glänzenden hellblauen Morgenrock aus Satin aus, den er ihr geschenkt hat. Dann lässt sie ihr Haar auch offen über die Schultern fallen, jetzt dagegen war es zu einem unordentlichen Knoten im Nacken zusammengefasst und sah dunkler aus als meins, obwohl es in Wirklichkeit genauso hell ist.
    Ihr zerstreutes Begrüßungslächeln erstarrte, als sie mich sah.
    „Herrje, wie siehst du denn aus!“
    Mir war klar, dass das nicht böse gemeint war. Mütter sehen immer etwas Schönes an ihren Kindern.
    Ich sah mich selbst im Dielenspiegel. Vermutlich meinte sie meine Klamotten. Meine helle Jacke und die hellblaue Jeans waren voller Blutflecken. Kein Wunder, dass die Kleinen im Nachbargarten laut geschrien hatten, als sie mich und Wuff erblickten. Und dabei hatte ich gedacht, sie hätten Angst vor dem Hund!
    „Was hast du bloß angestellt?“
    Ich erzählte von Glöckchen, und obwohl alles wahrscheinlich ziemlich konfus herauskam, verstand Mama genug, um sich genauso aufzuregen wie ich.
    Nachdem ich saubere Sachen angezogen hatte, bot sie mir an, mich zur Schule zu fahren. Dadurch hatten wir noch etwas mehr Zeit, um das Ganze zu besprechen.
    Die Uhr über dem Eingang des niedrigen Schulgebäudes zeigte erst auf acht, als ich aus dem Auto stieg. Dabei kam es mir vor, als wäre ich schon seit vielen Stunden wach.
    Mikaela hatte ich inzwischen ganz vergessen, aber kaum war ich imKlassenzimmer, wurde ich wieder an sie erinnert. Ich war nicht die Einzige, die von Mikaelas Mutter geweckt worden war. Sie hatte alle angerufen. Da war es wohl nicht unbedingt angesagt, jetzt von der armen Glöckchen zu erzählen.
    An und für sich war niemand beunruhigt, ja, nicht einmal erstaunt.
    „Na, ist doch wohl klar, höhö“, sagte Micke.
    „Wer ist denn diesmal der Glückliche?“, überlegte Erik laut.
    Aber wahrscheinlich waren sie bloß eifersüchtig. Alle Jungs lieben Mikaela, die gebleichten blonden Haare, die dick geschminkten Wimpern und den von Lipgloss glänzenden Mund. Mikaela trägt immer Jeans und Tops, die genau an den richtigen Stellen eng anliegen, und wird, wo sie geht und steht, von schweren Wolken aus Parfüm umschwebt.
    Man brauchte bloß abzuwarten, darin waren sich alle einig. Mikaela war auch früher immer mal wieder verschwunden. Sie trieb sich auf Konzerten und Partys herum, während ihre Mutter glaubte, sie übernachte bei Hannamaria. Mikaela machte, was sie wollte. Sie machte Sachen, die wir anderen uns niemals trauen würden.
    Einmal war ich allerdings mit ihr zusammen abgehauen. Damals gingen wir in die Dritte. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie es in mir kribbelte, als ich mit ihr vom Schulhof wegrannte. Die Pausenaufsicht war mit irgendeiner Streiterei beschäftigt und das nutzten wir aus.
    Natürlich war es Mikaelas Idee gewesen. Ich weiß eigentlich nicht, warum wir ausreißen wollten, es war nichts Besonderes passiert.
    Mir zumindest nicht. Ihr möglicherweise doch. Wahrscheinlich war das genau in der Zeit, als ihre Eltern sich scheiden ließen. Damals glaubte ich, sie hätte einfach einen plötzlichen Freiheitsdrang, und ließ mich leicht überreden. Zuerst liefen wir zur Holzbaracke der Erst- und Zweitklässler und verschwanden dort um die Ecke. Dann rannten wir weiter, bis wir Seitenstechen bekamen. Wir blieben stehen, schütteten uns aus vor blubberndem Lachen und liefen wieder zurück. Das Ausreißen selbst dauerte bestimmt nicht mehr als ein paar Minuten, aber es gab mir einen
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