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2578 - Das mahnende Schauspiel

2578 - Das mahnende Schauspiel

Titel: 2578 - Das mahnende Schauspiel
Autoren: Marc A. Herren
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Prolog
     
    Die Bühne zog durch das All, in sicherer Entfernung von dem Schwarzen Loch, das

keine Nahrung mehr fand.
    Zwei Gestalten materialisierten aus dem Nichts. Orsen Tafalla und Gommrich

Dranat. Sie trugen die Kostüme von Kanzler und Hofnarr. Sie standen prall im Leben, waren voller

Substanz.
    Die Bühne gab den Blick frei auf die Kulissenlandschaft. Das Spiel begann.
    Die Zwillingssonnen verschwanden hinter einer Wolkenbank. Der See lag da, nur

leicht aufgeraut. Nachdenklich blickte der Kanzler in die Ferne. Seine Hände ruhten unverkrampft

auf der steinernen Balustrade des Balkons.
    KANZLER: »Das Reich der Harmonie steht am Scheidepunkt!«
    HOFNARR, beipflichtend: »Von Eurer Entscheidung hängt seine Zukunft ab.«
    KANZLER: »Es gibt nur einen richtigen Weg.«
    HOFNARR: »Aber welcher ist das?«
    Das mahnende Schauspiel vom See der Tränen, 1. Akt, 1. Szene (Auszug)
     
    1.
    Im Reservat
     
    Die Sonne scheint. Immer.
    Alaska Saedelaere erhebt sich, drückt sein Becken nach vorn und streckt den Rücken. Es knackt

leise.
    Drei gefühlte Stunden sitzt er bereits in gebeugter Haltung im Staub. Zeigefinger und Daumen

der rechten Hand schmerzen von der Nadel aus Tierknochen, mit der er den groben Faden durch die

Häute trieb.
    Der Maskenträger besieht sein Werk. Die beiden starken Äste, die er in den Boden geschlagen

und oben zusammengebunden hat, wirken stabil genug, um das Gewicht der Häute zu tragen.
    Saedelaere fragt sich, ob sie Windböen standhalten können. Allerdings hat er im Reservat

bisher keine erlebt. Zu gleichmäßig wirkt alles. Es gibt keine Nächte, keine nennenswerten

Temperaturschwankungen. Wie soll da Wind entstehen?
    Er geht zum nächstgelegenen Zelt, rüttelt vorsichtig an der Konstruktion des Proto-Enthonen,

der diese Behausung aufgestellt hat. Saedelaere findet sie nicht bedeutend solider als seinen

eigenen Bau.
    Der Terraner ergreift die Seile aus Pflanzenfasern, bindet sie zu Schlingen. Er hat sie genau

ausgemessen.
    Sie reichen bis zu den vier Pflöcken, die schräg gegen die Spannrichtung im Boden stecken.

Saedelaere legt die Seile locker um die Pflöcke. Die Schlingen hakt er an leicht abstehenden

Aststümpfen ein.
    Dann dreht er abwechselnd die Pflöcke weiter in den Boden, sodass sich die Seile langsam

spannen. Zwei, drei Schläge mit einem schweren Stein verhindern, dass sie sich wieder lösen.
    Alaska Saedelaere nickt.
    Die Tierfelle hat er in einem der leer stehenden Zelte gefunden. Erst hat er einige Zeit auf

die Proto-Enthonen gewartet. Als aber nach - was? Tagen/Wochen/Monate? - keines der

Pseudowesen wiederauftauchte, nahm er sich die Felle und begann mit dem Bau seines Zeltes.
    Die Proto-Enthonen, so hat er es sich zusammengereimt, bilden mit ihrem Reservat so etwas wie

Samburi Yuras Nostalgiewelt, in die sie sich zurückzog, um Kraft zu schöpfen. Die künstlichen

Wesen leben in einem Teil der LEUCHTKRAFT, zu dem weder die Zwergandroiden noch der Bordrechner

DAN Zutritt haben.
    Die LEUCHTKRAFT. Selbst für einen Mann wie Saedelaere bildet dieses ... Raumschiff ein

nicht nachvollziehbares, ein nicht begreifbares Etwas.
    Das Innere der Kosmokratenwalze stellt sich ihm wie eine Ansammlung terranischer Landschaften

dar: trockene Grasebenen, Steinwüsten, Flusstäler und vieles mehr. Die Zentrale gleicht einer

Kaverne, die Höhle, in der sich der Bordrechner DAN befindet, einer Felskathedrale mit mächtigen

Stalagmiten und Stalaktiten.
    Saedelaere rückt die schwarze Plastikmaske zurecht.
    Fallun Vierauf, einer der Zwergandroiden, die die Besatzung stellen, hat ihm in den

Fertigungsstätten der LEUCHTKRAFT ein ganzes Set an gepolsterten Plastikmasken angefertigt. Seine

alte Maske war beim Einsatz in der Ultramarin-Stadt in drei Teile zerbrochen.
    Saedelaere hat die neuen Masken nicht beachtet.
    Stattdessen trägt er weiterhin seine alte Maske, die er mit weißem Klebeband geflickt hat.

Weshalb sollte er sie wegwerfen?
    Fallun Vierauf hat die Nichtanerkennung seiner Bemühung stillschweigend hingenommen.
    Die Zwergandroiden haben keinen Sinn für die weichen Regeln des Universums. Aus diesem

Grund hat DAN Saedelaere als zwischenzeitlichen Kommandanten der LEUCHTKRAFT auserkoren. Der

Maskenträger soll die Suche nach der verlorenen Herrin der Kosmokratenwalze mit seiner Erfahrung

und seinem Instinkt für kosmische Zusammenhänge vorantreiben.
    Alaska Saedelaere hält die zusammengenähte Zeltplane vor sich in die
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