Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2578 - Das mahnende Schauspiel

2578 - Das mahnende Schauspiel

Titel: 2578 - Das mahnende Schauspiel
Autoren: Marc A. Herren
Vom Netzwerk:
Hälfte seines ursprünglichen Volumens eingebüßt. Nur

das Hütchen aus Eierschalen saß unverändert stolz auf dem flachen Schädel.
    Martus der Kritiker war tot.
    Nicht erst seit heute oder gestern, sondern seit Jahrhunderten, vielleicht sogar

Jahrtausenden. Der Kokon hatte seinen Körper erhalten und mit der Zeit mumifiziert.
    Vorsichtig ging Eroin Blitzer auf den toten Kritiker zu. Er streckte die rechte Hand nach der

Leiche aus.
    *
    KANZLER: »Der Narr ist ein Instrument. Reduziert auf die Funktion des Idioten,

der nicht weiß, was er sagt, weil die Geschäfte, denen er lauscht, nicht Teil seiner Welt

sind.«
    PRINZESSIN: »Und doch erkenne ich Tropfen der Weisheit in seinen Worten.«
    KANZLER: »Die Weisheit eines ungefestigten Geistes ist so wässrig, er könnte sie

nicht mit der Gabel essen.«
    (Sie gelangen zu einer freistehenden Bühne, auf der der Narr etwas

einstudiert.)
    PRINZESSIN: »Wenn man vom Narren spricht...«
    KANZLER, zu sich selbst: »Fürwahr! Das Narrentum bedrängt uns an jeder

Ecke!«
    HOFNARR, verbeugt sich: »Hoheit! Welch Freude, Euch zu erblicken.«
    PRINZESSIN: »Was tut Ihr da, Narr?«
    HOFNARR: »Ich will zum Gelingen des Balles beitragen, der heut Abend

stattfindet!«
    PRINZESSIN: »Eine gute Idee, Narr! Ein wenig Abwechslung wird uns allen

guttun.«
    HOFNARR: »Ich hoffe, die Vorbereitungen für den Ball sind abgeschlossen,

Kanzler.«
    KANZLER, unwirsch: »Was geht mich ein Ball an? Ich habe vielerlei Geschäfte zu

erledigen. Da bleibt keine Frist für simple Tätigkeiten.«
    (Beugt sich zum Narren hinunter)
    KANZLER: »Ein andrer von uns zweien verfügt über mehr Zeit, die er sonst nur

nutzlos vergeudet ... «
    HOFNARR, finster blickend: »Vielerlei Geschäfte ... Das kann ich sehen.«
    PRINZESSIN, matt: »Ich lasse Euch Eure Streitereien allein zu Ende führen. Ihr

entschuldigt mich.«
    (Geht ab.)
    HOFNARR, seufzend: »Und sähe sie doch unter dem Kostüm mein wahres Wesen. Dann

wüsste sie, dass sie nicht allein sein müsste. Alles würde ich dafür geben!«
    KANZLER, zornig: »Welch überflüssige Worte und Gedanken eines Hanswursts, eines

Nichts! Ein Hofnarr erhält die Prinzessin nie. Deshalb ist er ja der Narr!«
    HOFNARR: »Aber der Narr ist immer schlauer! Er weiß stets Dinge, die die anderen

nicht wissen. Er kennt die Komödie wie auch die Tragödie des Lebens. Es ist seine Aufgabe, sie

der Welt zu verkünden - ob sie sie nun hören will oder nicht!«
    KANZLER, verächtlich: »Die Narrenkappe kleidet dich gut. Die Krone der Weisheit

würde dir nur über den schmalen Schädel rutschen.«
    Das mahnende Schauspiel vom See der Tränen, 2. Akt, 1. Szene (Auszug)
     

7.
    Vorhang
     
    Alaska Saedelaere schüttelte benommen den Kopf. Er fühlte, wie die Klarheit, die ihn während

der kurzen Überlichtetappe durchdrungen hatte, brüchig wurde und zerbröckelte.
    Die Logenkapsel schwebte oberhalb der Hauptebene der Plattform. Links und rechts bemerkte er

andere Kapseln. Als er eine von ihnen genauer in Augenschein nehmen wollte, fand er sie nicht

mehr.
    Er wies seinen SERUN an, die anderen Logenkapseln optisch heranzuholen, aber die

Anzugpositronik gab ihm nur eine Fehlermeldung aus.
    Dafür wies sie ihm den ungefähren Abstand zu der Weltraumbühne aus: eine Astronomische

Einheit.
    Saedelaere blinzelte verwirrt. Er ließ sich die Daten erneut aufbereiten.
    Gemäß SERUN wies die Plattform eine Länge von rund fünfzehn, eine Breite von neun und eine

Höhe von einem Kilometer auf. Zahlreiche Aufbauten bildeten eine verschlungene, stadtgleiche

Kulisse, deren Details er mit verblüffender Klarheit wahrnehmen konnte.
    Saedelaere röchelte. Irgendetwas war eindeutig falsch an diesen Angaben, aber er kam

nicht darauf, was es war. Unbehagen breitete sich aus, erreichte seinen Kopf und verwandelte sich

dort in einen glühenden Stachel, der die letzten Brocken Klarheit zu Asche verbrannte.
    Schweiß rann ihm von der Stirn in die Augen. Sie brannten. Saedelaere wollte sie reiben, aber

er tappte nur fahrig über die Maske.
    Er wusste, dass es etwas Wichtiges gab, an das er sich unbedingt erinnern musste. Etwas, das

vorhin ... wann? ... noch da gewesen war!
    Hilflos stierte er auf die Plattform.
    Mehrere der gebäudeähnlichen Aufbauten glitten zur Seite, gaben den Blick frei auf das

Bühnenbild.
    Ein überwältigender mentaler Druck griff plötzlich nach ihm, ließ Saedelaere aufstöhnen,

schreien. Die Hitze in seinem Kopf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher