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Todeswald

Todeswald

Titel: Todeswald
Autoren: Ritta Jacobsson
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PROLOG
    Ein trostloser Dauerregen fiel, wie so oft im Oktober. Der laubbedeckte Seitenstreifen war eine einzige vereiste Fläche. Mikaela rutschte immer wieder aus, konnte sich aber trotzdem auf den Beinen halten.
    Sie war dünn gekleidet und hatte keinen Schirm dabei, obwohl ihre Mutter sie immer wieder mit Warnungen vor dem schlimmsten Herbststurm des Jahres genervt hatte. Der Wind peitschte ihr die Haare ins Gesicht, sodass sie kaum etwas sehen konnte. Ihre Kleider waren bereits klatschnass.
    Sie war bei Oscar gewesen und hatte sich einen Film reingezogen, den sie sich lieber nicht hätte anschauen sollen. Er handelte von lebendigen Toten.
    Die Straße kam ihr endlos vor. Endlos, einsam und verlassen, obwohl sie von erleuchteten Einfamilienhäusern gesäumt wurde. Vereinzelte Autos durchpflügten die Pfützen, schleuderten Wasser hoch und spritzten Mikaelas Hosenbeine voll. Die knallrote Reisetasche voller Schulbücher und Bettwäsche war schwer wie Blei. Eigentlich hätte Mikaela Hannamaria nach Hause begleiten und dort übernachten sollen.
    Aber diese verdammte Kuh hatte an Oscar geklebt, als würde er ihr gehören, obwohl sie behauptet hatte, auf Viktor zu stehen! Viktor, der sich mit Chips vollstopfte und jedes Mal, wenn ein Toter auf der Mattscheibe umkippte, mit zwiebelstinkendem Atem loswieherte.
    Bereits bevor der Abspann abrollte, war Mikaela aufgestanden, hatte ihre Tasche an sich gerissen und die Tür hinter sich zugeknallt. Sie war der Straße, die am aufgewühlten See entlanglief, bis zur Bushaltestelle gefolgt, nur um dort festzustellen, dass sie den Bus verpasst hatte. Nirgends ein Schutz vor dem Unwetter, nur ein schiefer Pfosten.
    Auf der anderen Straßenseite stand wenigstens ein Wartehäuschen. Mit etwas Glück würde der Bus in die andere Richtung bald kommen.Dann könnte sie ins Ortszentrum fahren, von wo aus mehrere Busse nach Hause gingen.
    Sie überquerte die Straße und studierte den Fahrplan. Shit! Der Bus käme erst in einer halben Stunde.
    Einen kurzen Augenblick fühlte sie sich versucht, daheim anzurufen und darum zu bitten, abgeholt zu werden. Doch das käme einem Geständnis gleich, dass sie gelogen hatte. Ihre Mutter wusste nicht, dass sie zu Oscar gefahren war.
    Mikaela lenkte ihre Schritte zur Schnellstraße. Dorthin war es nicht so weit wie bis ins Ortszentrum, und hier konnte sie nicht bleiben. Irgendeinen Bus in Richtung nach Hause würde sie schon erwischen.
    Plötzlich wurde die Dunkelheit erhellt. Sie warf einen Blick über die Schulter. Ein Auto näherte sich. Der Regen tanzte wie ein glitzerndes Lichterspiel in der Luft vor den Scheinwerfern.
    Der Wagen fuhr langsamer, vermutlich um sie nicht nass zu spritzen. Zumindest zwang sie sich, das zu denken, um keine Angst zu bekommen.
    Dennoch lief sie schneller. Als der Wagen langsam neben ihr herfuhr, liefen ihr kalte Schauer über den Rücken. Sie dachte an die ewigen Reden ihrer Mutter über Mädchen, die in Autos gezerrt worden waren, und musste den Impuls bekämpfen, voller Panik davonzurennen.
    Vorsichtig schielte sie rüber. Nur eine einzelne Person am Steuer. Das Gesicht konnte sie nicht erkennen, aber sie hatte das unangenehme Gefühl, dass jemand sie ansah.
    Das Seitenfenster wurde runtergelassen. Aus dem Autoradio drang die Stimme eines Sportreporters, die im Publikumsjubel ertrank.
    „Soll ich dich mitnehmen?“
    Sie fuhr zusammen.
    Die Stimme eines erwachsenen Mannes.
    „Nein danke!“
    Sie beschleunigte ihre Schritte, die Tasche war schwer. Ihre Antwort klang wie ein Keuchen.
    „Ich wohne hier“, fügte sie hinzu.
    Zu ihrer Überraschung hörte sie ein Lachen.
    „Bist du umgezogen?“
    Erst jetzt sah sie den Fahrer an, der sich zu dem geöffneten Fenster rüberbeugte.
    Das Auto hielt an.
    Mikaela blieb ebenfalls stehen.
    „Hab gar nicht gesehen, dass Sie das sind!“
    „Steig ein! Du bist doch nach Hause unterwegs, oder?“
    Sie warf die Tasche auf den Rücksitz, bevor sie sich neben ihn setzte.
    Er stellte das Radio leiser, schaltete es aber nicht ganz aus.
    „Was für ein Sturm!“, sagte er.
    „Mhm.“
    Erst als das Auto anfuhr, dachte sie an den schönen hellgrauen Lederbezug. Wenn ihre dunklen nassen Kleider jetzt seine Sitze ruinierten! Sie versuchte sich möglichst wenig zu bewegen.
    Sie bogen in die Schnellstraße ein. Bald wäre sie zu Hause, dann konnte sie endlich ihre triefenden Klamotten ausziehen.
    Im Auto war es angenehm warm.
    „Warst du bei Freunden?“
    „Mhm.“
    „Zum
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