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Todeswald

Todeswald

Titel: Todeswald
Autoren: Ritta Jacobsson
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Kick, an den ich mich immer noch erinnere.
    Vielleicht war sie jetzt wieder auf der Suche nach einem neuen Kick?
    Der Unterricht begann, aber Mikaela tauchte nicht auf. Möglicherweise war sie schon zu Hause, schämte sich aber, in eine Klasse zu kommen, in der alle Bescheid wussten.
    Das Ungewöhnliche an der Sache war, dass es Mikaela dieses Mal nicht gelungen war, ihrer Mutter etwas vorzumachen. Vermutlich weigerte sich Hannamaria, für sie zu lügen. Es ging das Gerücht um, sie seien nicht mehr so dicke Freundinnen, wegen Oscar. Hannamaria sei ebenfalls in ihn verknallt.
    In der großen Pause stand Hannamaria in der coolen Clique und verteilte irgendwas, wahrscheinlich Kaugummi.
    „Ey, Hanna, das bringt’s. Echt. Das bringt’s voll.“
    Ebba, Faduma und Nilla, die drei Geklonten mit den schwarzen Punkfrisuren, klangen bei ihren Anbiederungsversuchen wie ihre jeweiligen Echos.
    Jo und ich, wir gehören nicht zur coolen Clique. Wir schreiben gute Noten, tragen keinen extrem modischen Fummel und schminken uns nur ganz wenig, kaum sichtbar. In den Pausen stehen wir nie bei dem großen Haufen, wo laut über irgendwas gelacht wird.
    Manchmal auch über irgendjemanden.
    Um dazuzugehören, muss man jemand sein.
    Mikaela ist hübsch wie ein Model und kurvenreich wie eine silikonbehandelte Soapdarstellerin. Hannamaria ist fast genauso hübsch und fast genauso kurvenreich. Ebba hat stinkreiche Eltern. Fadumas großer Bruder ist Gitarrist in einer Band, die eine CD herausgebracht hat. Nillas Cousine hat in einer Dokusoap mitgespielt. Viktor sieht gut aus. Erik ist ein vielversprechender Hockeyspieler, Alexander ein Spitzenschüler mit dem Aussehen eines Superstars. Und Micke, der Klassenclown, sorgt dafür, dass die Coolen sich noch cooler fühlen.
    Die Coolen haben Freunde in der 8 B, Oscar zum Beispiel, in den Mikaela verknallt ist, und auch ein paar in der Neunten.
    Jo und ich hielten uns wie immer etwas abseits. Jo heißt eigentlichJolene Jones. Seit der ersten Klasse sind wir befreundet. Mikaela hatte nämlich die Angewohnheit, mich regelmäßig zu vergessen, wenn irgendeine interessantere Person in ihrer Nähe auftauchte.
    In der Freizeit treffe ich mich nicht so oft mit Jo, weil wir unterschiedliche Hobbys haben. Ich schwimme und jogge gern. Jo ist Reiterin. Sie lebt auf einem großen Hof und hat ein eigenes Pferd.
    Überall auf dem Schulhof wurde über Mikaela geredet. Die Schüler aus der Siebten, Achten und Neunten standen in Grüppchen zusammen und rätselten lauthals darüber, wo sie wohl stecken mochte.
    Jeder weiß, wer Mikaela ist. Mikaela, die Obercoole. Niemand braucht im Schulkatalog nach ihrem Namen zu suchen.
    Bei mir ist das anders. Da kann es höchstens passieren, dass man beim Durchblättern meinen Namen liest und dabei leicht zusammenzuckt. So ist das eben, wenn man weder klein noch groß ist, weder hässlich noch schön und meistens in Jeans und T-Shirt rumläuft.
    Jo dagegen ist tausendmal hübscher als Mikaela und Hannamaria zusammen. Sie hat lange Beine, dichtes schwarzes Haar, das ihr bis an die Hüften reicht, große braune Augen und sieht immer braun gebrannt aus – ihr Vater kommt nämlich aus Louisiana. Wenn sie wollte, dürfte sie garantiert bei den Coolen mitmischen. Aber das will sie nicht.
    Ich würde es wollen, aber mich hat niemand gefragt.
    „Peinlich“, sagte Jo.
    Kurz glaubte ich, sie meinte mich. Doch dann fuhr sie fort: „Die sind ja total krank. Hör mal zu!“
    Ich hörte zu.
    „Hilfe, meine Haaaare! Die sind doch echt das Letzte.“
    „Von wegen, du bist doch total süüüß. Check mal, wie meine Haare aussehen!!“
    „Du siehst doch immer so suuupergeil aus.“
    Hannamaria gab irgendwas von sich, das ich nicht hören konnte, worauf die anderen Mädchen schrill auflachten.
    „Toll, wie die sich amüsieren“, sagte ich.
    Und dann schwiegen wir.
    Und das, obwohl ich ausnahmsweise mal was zu erzählen hatte.Glöckchens Unfall war doch viel schlimmer als die Tatsache, dass Mikaela über Nacht weggeblieben war. Doch das sollten alle zu hören bekommen.
    Erst als unser Klassenlehrer Per Lundström uns nach der Pause ins Klassenzimmer ließ, bekam ich die Chance. Kaum war es einigermaßen ruhig geworden, ließ ich mir die Gelegenheit nicht entgehen.
    „Heute Morgen ist Linus’ Hund überfahren worden. Ich hab ihn gefunden.“
    Ich tat so, als würde ich es nur Jo erzählen, sprach dabei aber so laut, dass niemand in der näheren Umgebung es überhören konnte.
    Zuerst
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