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Todeswald

Todeswald

Titel: Todeswald
Autoren: Ritta Jacobsson
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treten.
    „Mein Fahrrad ist geklaut worden. Ich hab den Bus genommen.“
    „ Dein Fahrrad?“
    Sie war taktvoll genug, um nicht loszukichern, aber mir war klar, was sie dachte. Nur ein totaler Idiot klaut ein gestreiftes Fahrrad.
    „Ich glaube, ich weiß, wer es genommen hat“, sagte ich.
    „Wer denn?“
    „Mikaela.“
    „Und warum?“
    „Weil sie es super findet, anderen Leuten das Leben zu vermiesen.“
    „Aber ihr seid doch Nachbarn?“
    „Keine guten Nachbarn.“
    „Es heißt, sie sei verschwunden.“
    „Ich glaube, sie hat sich bei Oscar verkrochen und traut sich nicht nach Hause.“
    „Das hat sie nicht“, bemerkte Lina bestimmt. „Gestern war sie zwar dort, ist aber um zehn gegangen.“
    Zuerst fragte ich mich, woher Lina das wissen wollte, doch dann fiel mir ein, dass Oscar in ihre Klasse geht.
    „Oscar hat in der Schule groß damit angegeben, wie Hannamaria an ihm geklebt hat“, fuhr Lina fort. „Und wie Mikaela dann sauer geworden und abgehauen ist.“
    Das Gerücht stimmte demnach! Mikaela und Hannamaria waren tatsächlich in ein und denselben Jungen verknallt!
    „Er hätte sich doch wehren können, oder?“
    „Scheint ihm aber gefallen zu haben.“
    „Aber vielleicht ist sie später noch einmal zurückgekommen, nachdem Hannamaria nach Hause gefahren war?“
    „Davon hat er nichts erwähnt.“
    „Und auf welche von beiden steht er wirklich?“
    „Keine Ahnung. Also ist sie noch nicht nach Hause gekommen?“
    „Nein. Ich hab ihre Mutter im Bus getroffen … und die hat versucht mich zu verhören … wollte wissen, wo Mikaela steckt.“
    Ich stieß die Worte keuchend heraus. Die kleinen leuchtenden Lämpchen auf dem Programmdisplay zeigten an, dass ich gerade eine stramme Steigung hinaufstrampelte.
    „Vielleicht versteckt sie sich bei Hannamaria“, überlegte Lina.
    „Eher nicht, wenn sie sich wegen Oscar gestritten hatten.“
    Linas Gesicht war rot und schweißglänzend. Sie hatte aufgehört zu treten und keuchte schweigend vor sich hin.
    Mein Programmdisplay begann zu blinken. Ich war ebenfalls am Ziel.
    „Das ist erst mal genug“, schnaufte ich. „Ich muss auch noch Puste fürs Schwimmen haben. Und für den Heimweg. Und fürs Gassigehen mit dem Hund.“
    Mit dem Hund.
    „Weißt du, was heute Morgen passiert ist?“, stieß ich keuchend aus, während wir zu den Duschen hinüberwankten.
    Ohne ihre Antwort abzuwarten, begann ich von Glöckchen zu erzählen.

KAPITEL 6
    Ich joggte von der Bushaltestelle nach Hause, immer bergauf. Als ich auf schmerzenden Beinen endlich ins Haus taumelte, sehnte ich mich danach, noch einmal zu duschen und dann ins Bett zu fallen, obwohl es noch nicht einmal sechs Uhr abends war.
    Aber nach Wuffs üblicher herzlicher Willkommenszeremonie mit Teddys und Bällen und dem ganzen Klimbim brachte ich es nicht übers Herz, sie wieder nur in den Garten hinauszulassen. Sie sollte ihren Spaziergang haben, und wenn ich dabei draufging.
    In Mamas Atelier war Licht, aber von Papa nirgends eine Spur. Vielleicht war er bei ihr drin? Er sah ihr gern beim Malen zu.
    Ich behielt den Trainingsanzug an, zog aber die durchnässten Turnschuhe und Strümpfe aus. Meine Gedanken hatten sich so intensiv mit Glöckchen beschäftigt, dass ich auf dem Heimweg in jede einzelne Pfütze gestapft war. Linus hatte sich noch nicht gemeldet und das machte mir Sorgen.
    Ich suchte in der Eingangsdiele nach meinen Gummistiefeln, bis mir einfiel, dass sie wahrscheinlich in der Garage geblieben waren, seit Papa und ich das Auto gewaschen hatten.
    Ich tappte barfuß durch die Waschküche. Die Drahtkörbe quollen über von Papas Wochenwäsche, wie immer freitags. Als ich die Tür zur Garage öffnete, tastete ich automatisch nach dem Lichtschalter rechts von der Tür, doch in der Garage war bereits Licht.
    Papas Auto stand da, genau wie er gesagt hatte.
    „Papa?“
    Papa war nicht da. Meine Stiefel dagegen standen neben der Tür.
    Ich wollte schon um den Volvo herumgehen, um kurz einen Blick auf den streikenden Motor zu werfen, als Wuff mit kläglichem Winseln in die Waschküche geschlichen kam.
    „Ich komm ja schon, ich komm ja schon“, sagte ich.
    Im selben Moment, als ich hinaustrat, ging die Haustür des weißen Nachbarhauses auf. Linus kam heraus.
    Zuerst freute ich mich.
    Dann wurde ich unruhig.
    Er hatte nicht angerufen, obwohl er es versprochen hatte. Das konnte nur eins bedeuten. Glöckchen lebte nicht mehr.
    Ich wollte gleich zu ihm rennen und versuchen, ihn zu trösten, ihn
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