Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todeswald

Todeswald

Titel: Todeswald
Autoren: Ritta Jacobsson
Vom Netzwerk:
so, wie er soll.“
    „Dann lass ich das Schwimmen auch ausfallen. Wir gucken uns den Motor mal an, nachdem ich mit Wuff draußen war.“
    Er lächelte wieder auf diese gekünstelte Art.
    „Geh ruhig schwimmen. Das mit dem Auto hat keine Eile.“
    Dann stand er einfach auf und ging nach oben.
    Verblüfft schaute ich hinter ihm her. Was war denn mit Papa los? Er wirkte so müde und geschafft.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr. Mit etwas Glück würde ich den nächsten Bus noch erwischen.
    Schnell verdrückte ich zwei Brote mit einem Glas Milch und ließ Wuff hinten in den Garten hinaus, während ich Badetuch, Badeanzug und Shampoo zusammenraffte. Mein schlechtes Gewissen beruhigte ich damit, dass ich heute Abend ausgiebig mit ihr spazieren gehen würde.
    Während ich zum Bus lief, fluchte ich über Mikaela. Ich würde ihr schon noch unter die Nase reiben, was ich von Leuten hielt, die anderen die Fahrräder klauten!
    Ich kam im selben Moment zur Bushaltestelle, als der Bus dort bremste. An der Haltestelle stand schon jemand. Ich zuckte zusammen, als hätte ich mich an meinen Gedanken verbrannt.
    Es war Mikaelas Mutter.
    Allerdings hätte ich sie fast nicht erkannt. Sonst ist sie immer genauso sorgfältig gestylt und geschminkt wie Mikaela und trägt ihre kurzen Haare in einer modischen Föhnfrisur. Heute hatte sie Jeans an und eine halblange abgewetzte Jacke. Ihr helles Haar lockte sich im Nacken und sie war ungeschminkt. Dadurch sah sie jünger aus, fast wie Mikaela.
    „Hat sie sich bei dir gemeldet?“, fragte sie rasch, ohne vorher zu grüßen.
    Offenbar war Mikaela noch nicht nach Hause gekommen.
    „Nein, tut mir leid“, antwortete ich trotzdem höflich.
    Mikaela rief mich auch sonst nicht an, um mir mitzuteilen, was sie vorhatte.
    Mikaelas Mutter stieg vor mir ein und löste eine Fahrkarte. Ich kam hinterher, schwenkte meine Buskarte durch die Luft und hatte vor, wie immer nach hinten zu gehen, aber Mikaelas Mutter drehte sich um und schubste mich mehr oder weniger auf den nächsten Fensterplatz, bevor sie sich neben mir niederließ.
    Sie stieß einen tiefen Seufzer aus.
    „Ich rege mich so über die Polizei auf“, sagte sie.
    „Also haben Sie Mikaela als vermisst gemeldet?“
    „Natürlich haben wir das!“
    Sie hielt kurz inne, dann fuhr sie etwas ruhiger fort:
    „Was die uns alles gefragt haben! Die fragten, ob sie schon einmal ausgerissen sei und ob sie das öfters macht ! Hast du schon mal so etwas Idiotisches gehört? Und dann wollten sie wissen, wie es bei uns in der Familie sei, ob wir gestritten hätten oder ob wir zu streng wären, sodass sie sich nicht nach Hause traute. Und lauter solche hirnverbrannten Sachen. Ob sie einen Freund hätte …“
    Hirnverbrannt ?
    „… oder ob sie uns vielleicht bloß einen Streich spielen wollte.“
    Meine Haltestelle kam schon in Sicht, aber sie redete einfach weiter. Ich saß wie auf Nadeln.
    „Entschuldigung“, sagte ich schließlich und drückte auf den Halteknopf. „Ich muss hier aussteigen.“
    Sie sah enttäuscht aus, stand aber auf, um mich rauszulassen. Ich kam mir wie eine Verräterin vor.
    „Bestimmt taucht Mikaela bald auf“, tröstete ich.
    Sie sah zum Fenster und schien mich schon vergessen zu haben.
    Der Geruch nach Chlor schlug mir schon im Eingang entgegen. Aber meinen ersten Adrenalinstoß bekomme ich immer erst im Fitnessraum – vom Krachen der Gewichte, die aufeinanderknallen, vom Ächzen der Sportler und von der hämmernden Musik, die zwischen den kahlen Wänden hin und her hallt.
    Im Dezember werde ich vierzehn, bin aber immer noch zu jung fürs Krafttraining. Papa dagegen gönnt sich meistens eine Runde, um seinen Bizeps und die Schenkelmuskeln in den diversen Foltermaschinen zu quälen. Währenddessen strample ich mich immer auf einem Trainigsfahrrad ab.
    Ich blickte kurz suchend durch den Raum, bis ich hinter dem Programmdisplay eines Trainingsfahrrads den schwarz-rot gestreiften Schopf von Lina entdeckte. Lina geht in die 8 B. In der Schule grüßen wir uns bloß, reden aber nicht miteinander. Sie hat ihre Freunde, ich habe meine. Aber im Fitnessraum und in der Schwimmhalle unterhalten wir uns. Meistens natürlich übers Schwimmen, und dann stoppen wir auch gegenseitig unsere Zeiten.
    „Hast du deinen Vater heute nicht dabei?“, fragte sie.
    „Er hat was anderes vor.“
    „Dann bist du also mit dem Fahrrad gekommen?“
    Ich setzte mich auf das Trainingsfahrrad neben ihr, stellte ein Programm ein und begann zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher