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Todesträume am Montparnasse

Titel: Todesträume am Montparnasse
Autoren: Alexandra Grote
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den Kragen seiner Lammfelljacke hoch und verließ den Wagen.
    Als die Tür ins Schloss gefallen war, meinte Couperin: »Hauptmann Zechira wirkt seit geraumer Zeit irgendwie verändert auf mich. Ein wenig unkonzentriert, beinahe lustlos. Hat er Probleme?«
    »Ja. Aber ich denke, die bekommt er demnächst in den Griff.«
    Der Ermittlungsrichter fragte nicht weiter nach. Er hatte einen feinen Instinkt für Dinge, die man ihm nicht anvertrauen wollte oder konnte, und nahm LaBréas kurz angebundene Antwort nicht persönlich.
    »Gut, Commissaire. Ich schlage vor, dass wir die Kassette sicherheitshalber einmal ganz durchlaufen lassen, ob sie wirklich keine anderen Aufnahmen enthält.«
    Dies war nicht der Fall. Eine halbe Stunde später stieg LaBréa aus Couperins Dienstwagen, während dieser sich auf den Weg in den Justizpalast machte.

    Das Tape mit dem Ausschnitt aus Ravels Boléro hatte LaBréa eingesteckt. Es würde auf Fingerabdrücke untersucht werden, obgleich LaBréa nicht glaubte, dass die Leute der Spurensicherung fündig wurden.
     
    Das metallene Rolltor zur Einfahrt der Reparaturwerkstatt war geschlossen. Die dunkelgrüne Farbe blätterte an vielen Stellen ab, Rostflecken waren zu sehen. Am unteren Ende des Tores hatte sich eine Schneeschicht angehäuft, wie ein breiter Saum.
    Gleich neben der Einfahrt war eine Tür eingelassen. LaBréa drückte die Eisenklinke herunter und betrat die Werkstatt. Es war eiskalt hier. LaBréas Atem gefror in der Luft. Es roch nach Motoröl, Zigarettenqualm und kaltem Kaffee.
    Auf einer Hebebühne befand sich eine uralte Ente, eines der Modelle aus den Sechzigerjahren. Die Hinterräder waren abmontiert. Unter dem Chassis, nahe dem Auspuff, spendete eine Hängeleuchte grelles Licht.
    Im hinteren Teil der Werkstatt, die aussah wie Tausende solcher Reparaturwerkstätten im Land, saß Jean-Marc mit den beiden Mechanikern an einem kleinen, schmuddeligen Plastiktisch. Der Aschenbecher quoll über, und einer der Männer, ein kleiner Dicker mit Vollbart und Glatze, drückte soeben eine weitere Zigarette darin aus. Ein verfetteter Schäferhund hatte seine Schnauze auf die Füße des Mannes gelegt. Das Tier öffnete kurz die Augen, als LaBréa sich näherte.

    Mit einer Kopfbewegung deutete Jean-Marc auf den kleinen Dicken.
    »Das ist Alain Wagner. Er hat die Leiche heute Morgen oben in der Wohnung entdeckt.« Den zweiten Mann stellte Jean-Marc als Luc Vanel vor. Er war jünger als sein Kollege und schob seinen Kopf habichtartig vor, als er LaBréas Gruß erwiderte.
    »Dann erzählen Sie mal, Monsieur Wagner«, sagte LaBréa und nahm auf einem wackligen Hocker Platz.
    »Ich hab doch Ihrem Kollegen hier schon alles erzählt.« Die Stimme des Mannes klang lustlos. Er fingerte eine Packung Gauloises aus der Brusttasche seines Blaumanns und zündete sich eine Filterlose an.
    »Dann wiederholen Sie’s noch mal für mich«, antwortete LaBréa und schlug die Beine übereinander.
    Alain Wagner seufzte und begann. Vor einer Woche war ein Schreiben an die Adresse der Werkstatt eingegangen. Darin hatte Pascal Masson angekündigt, er würde am Montag, dem neunzehnten Januar, aus der Santé entlassen. In dem Schreiben stand, dass er an diesem Tag gleich ein paar Geschäfte zu erledigen hätte und erst am nächsten Tag, dem zwanzigsten Januar, morgens gegen neun in die Werkstatt käme.
    »Haben Sie eine Ahnung, um welche Geschäfte es sich da gehandelt haben könnte?«, wollte LaBréa wissen.
    »Nein, Monsieur. Keine Ahnung.«
    »Das Schreiben müssten wir bitte sehen.«

    »Ich hab es bereits eingesteckt, Chef«, beeilte sich Jean-Marc zu sagen.
    »Gut. Und weiter, Monsieur?«
    »Na ja, als er dann heute Morgen nicht kam, haben wir uns gefragt, was los ist. Immerhin war er zwei Jahre im Bau. Ich würde jedenfalls als Erstes in meinen Laden gehen, wenn ich zwei Jahre weg vom Fenster gewesen wäre. Ich bin rauf und habe an der Wohnungstür geklingelt. Da hat sich nichts gerührt. Dann bin ich wieder runter in die Werkstatt, und Luc hat gemeint, vielleicht schläft Masson noch, weil er in der Nacht wahrscheinlich’ne Sause gemacht und seine Entlassung gefeiert hat. Ich habe dann’ne halbe Stunde gewartet und bin wieder hochgegangen. Irgendwie kam mir das Ganze komisch vor.«
    »Wieso?«
    »Wieso? Sagte ich doch eben. Wir haben uns zwei Jahre um den Laden hier gekümmert, weil er das so wollte. Ich fand’s eigenartig, dass er sich nicht blicken ließ. Als ich wieder vor der Tür stand und auf mein
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