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Todesträume am Montparnasse

Titel: Todesträume am Montparnasse
Autoren: Alexandra Grote
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fort.
    »Wir werden uns noch genauer damit befassen müssen, aus welchem Grund ausgerechnet eine Aufnahme dieses Musikstücks auf dem Leichnam des Ermordeten lag. Folgendes könnte dabei von Bedeutung sein: Die Musikgeschichte klassifiziert Ravels Boléro als eines der Meisterwerke der musikalischen Erotik. Das Stück wurde seinerzeit als eine Art erotisches Ballett uraufgeführt. Wenn ich mich nicht irre, war das 1928 oder 1929, und zwar hier in Paris. Die Premiere war ein überwältigender Erfolg.«
    Franck pfiff leise durch die Zähne. »Wow, Monsieur le Juge, woher wissen Sie das alles?«
    Ein leicht ironisches Lächeln spielte um Couperins Lippen.
    »Die Antwort ist relativ einfach, Capitaine. Ich beschäftige mich in meiner Freizeit mit Dingen, die den Geist, die Seele und die Fantasie anregen. Damit gebe ich meinem Leben einen Sinn, der jenseits des menschlichen Morastes liegt, mit dem wir täglich in unserem Beruf konfrontiert sind.«
    LaBréa verkniff sich ein Schmunzeln, als er Francks betretenes Gesicht bemerkte. Couperins Anspielung hatte offenbar gesessen. Es war allgemein bekannt, dass Franck sich nicht für kulturelle Dinge interessierte. Seine einzige Leidenschaft galt der Pferdewette. Da kannte er sich gut aus, tippte regelmäßig und verbrachte seine Wochenenden meist auf den Rennbahnen
in Longchamps oder Vincennes. Vielleicht war dies einer der Gründe, warum ihn seine Freundin Weihnachten verlassen hatte? Mit seinen häufigen Gewinnen verdiente Franck sich zwar auf den Rennbahnen ein schönes Zubrot zu seinem mageren Hauptmannsgehalt. Doch Geld war eben nicht alles im Leben.
    LaBréa lenkte das Thema wieder auf das Wesentliche.
    »Knapp vier Minuten eines Meisterwerkes der musikalischen Erotik auf dem toten Körper eines kastrierten Mannes«, sagte LaBréa nachdenklich. »Von einer Platte, CD oder Kassette eigens für dieses makabre Arrangement kopiert. Eine Botschaft des Mörders. Fragt sich nur, was sie uns sagen soll.«
    »Das liegt doch auf der Hand«, warf Franck ein. »Das ist die Botschaft irgendwelcher wild gewordener Weiber!«
    Dies war für LaBréa das Stichwort, Ermittlungsrichter Couperin über die Vorkommnisse im Gefängnis La Santé zu informieren sowie über die Sprayeraktionen der militanten Frauengruppe. Als LaBréa geendet hatte, wiegte Couperin skeptisch den Kopf.
    »Ich weiß nicht, Commissaire. Sind Sie wirklich der Meinung, dass da ein Zusammenhang besteht?«
    LaBréa lachte kurz.
    »Nicht ich bin dieser Meinung, sondern Hauptmann Zechira! Diese Sprayerfrauen haben es auf Vergewaltiger abgesehen, das ist unbestritten. Der Fall Julien Lancerau war die fünfte Aktion dieser
Art. Jedes Mal war dabei zweifelsfrei eine Vergewaltigung vorausgegangen. Aber Pascal Masson? Bis gestern Morgen saß er im Gefängnis. Ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, dass er sich gleich nach seiner Entlassung eine Frau schnappte, sie vergewaltigte, durch irgendetwas seine Identität preisgab und damit diese Sprayerfrauengruppe auf den Plan rief. Abgesehen von der Tatsache, dass diese Gruppe sich dann innerhalb sehr kurzer Zeit völlig radikalisiert hätte und jetzt geplante Morde durchführt.«
    »Das ist eine richtige Überlegung«, erwiderte Couperin. »Noch wissen wir so gut wie nichts über Pascal Masson. Gestern kam er aus dem Gefängnis, seine Vorstrafen weisen keinerlei Sexualdelikte auf.«
    »Nichts von dem, was wir bisher wissen, deutet auf eine Täterin hin«, fügte LaBréa hinzu. »Dass der Mann kastriert wurde, kann völlig andere Gründe haben, als Sie vermuten, Franck.«
    »Wichtig erscheint mir auch die Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesem Erhängten in der Santé und Pascal Masson?«, sagte Couperin nachdenklich. »Kannten sich die beiden? Lancerau wurde symbolisch kastriert, Masson de facto. Wo laufen da die Fäden zusammen?«
    »Möglich, dass es da eine Verbindung gibt«, meinte LaBréa. »Deswegen werden wir natürlich diese Frauengruppe auf jeden Fall unter die Lupe nehmen. Das soll Claudine übernehmen.«

    »Dann befasse ich mich mal mit dem Teil seines Lebens, den Pascal Masson in der Fremdenlegion verbracht hat«, schlug Franck vor und unterdrückte ein Gähnen. LaBréa nickte zustimmend. »Tun Sie das, Franck, und zwar gleich. Befindet sich das Hauptquartier nicht in Marseille?«
    »Richtig, Chef. Die haben dort sämtliche Akten ihrer Ehemaligen. Ich kümmere mich gleich darum. Bis zur Talkrunde nachher weiß ich vielleicht schon Näheres.« Er schlug
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