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Todesträume am Montparnasse

Titel: Todesträume am Montparnasse
Autoren: Alexandra Grote
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abgesäbelt wurde. Ich tippe übrigens bei dem Werkzeug auf eine Rasierklinge oder Ähnliches. - Also, die Totenstarre ist voll ausgebildet. Er ist seit etwa sechs bis neun Stunden tot.«
    LaBréa blickte auf seine Uhr. Es war halb zwölf. Er rechnete zurück. »Das heißt also, dass er in der letzten
Nacht zwischen halb drei und halb sechs getötet wurde.«
    »So ungefähr. Höchstwahrscheinlich ist er verblutet. Nach der Autopsie kann ich mehr sagen. Dann weiß ich vielleicht auch, ob die Kastration bei vollem Bewusstsein stattgefunden hat oder nicht. Betäubungsmittel, Drogen und so weiter, müssten noch nachzuweisen sein. Auf jeden Fall wurde er vor Eintritt des Todes kastriert, sonst hätte er nicht einen derartigen Blutverlust. Eines kann ich aber schon ziemlich sicher sagen: Vermutlich hat der Mann eine Menge Alkohol intus gehabt. Das kann man jetzt noch riechen.«
    LaBréa musste ihr recht geben. Von der Leiche ging ein penetranter Fuselgeruch aus, der mit der muffigen Luft in der Wohnung eine nur schwer erträgliche Verbindung eingegangen war.
    Claudine hatte in einer Schublade im Wohnzimmer unter einem Stapel alter Rechnungen eine Farbfotografie entdeckt. Sie war im DIN-A4-Format und in einen silbernen Rahmen gefasst. Man sah eine Gruppe von sechs Männern. Fünf von ihnen trugen Uniform, der sechste eine kakifarbene Fliegerkombination. Sie hielten Champagnerkelche in der Hand und lachten in die Kamera. Claudine deutete auf den Dritten von links, einen großen, schneidig aussehenden Mann, dessen Uniformjacke wie angegossen saß und seine breiten Schultern betonte.
    »Das ist Masson, Chef.« Deutlich waren die weißblonden Haare und die dunklen Augenbrauen des Ermordeten
zu erkennen. Allerdings wirkte Masson auf dem Foto wesentlich jünger. Auf der Rückseite des Rahmens gab es einen handschriftlichen Vermerk.
    »Camerone, 30. April 1991 …«, las LaBréa laut vor und runzelte die Stirn. »Kann jemand was damit anfangen?«, fragte er.
    »Ja, klar«, antwortete Franck, der soeben zurückgekehrt war. »Das Camerone ist ein hoher Gedenktag der Fremdenlegion, Chef. Darf ich mal sehen?« LaBréa reichte ihm das Foto. »Genau!«, fügte Franck hinzu. »Die Jungs hier tragen die Galauniform der Legion. Grünrote Schulterklappen, grüne Krawatte … fehlen nur noch die weißen Käppis.«
    »Also vermutlich ein Kameradschaftstreffen. Gut, darum kümmern wir uns später«, sagte LaBréa. »Was sagt der Direktor der Santé?«
    Franck fasste das Gespräch zusammen. Pascal Masson war vor zwei Jahren wegen schwerer Körperverletzung verurteilt worden und hatte die volle Strafe in der Santé abgesessen. Der Mann, den er in einer Kneipe zusammengeschlagen hatte, war seitdem auf einem Auge blind und litt unter heftigen Kopfschmerzen. Gestern war Masson entlassen worden. Als Häftling hatte er sich gut geführt, war unauffällig gewesen. Während der zweijährigen Haftzeit hatte er regelmäßig Besuch von einem Freund bekommen. Keine Briefe, keine sonstigen Kontakte.
    »Auch keine Freundin, die ihn besucht hat?«, wollte LaBréa wissen.

    Franck verneinte.
    »Vorstrafenregister?«
    »Eine Vorstrafe 1999 wegen Körperverletzung. Ein ähnliches Szenario wie bei der letzten Straftat. Der Mann war ein Schlägertyp. Deshalb gab’s bei der letzten Verurteilung auch keine Bewährung.«
    »Wer hat denn die Werkstatt weitergeführt, als er einsaß?«, fragte Couperin und zündete sich eine seiner Gauloises Blondes an.
    »Seine beiden Mechaniker«, sagte der Paradiesvogel.
    »Haben die denn ihren Chef gestern nach seiner Entlassung aus der Santé gesehen?«
    »Angeblich nicht. Sie hätten jedoch gewusst, dass er entlassen wurde und dass er heute Morgen in die Werkstatt kommen wollte.«
    »Eigenartig«, bemerkte LaBréa. »Der Mann verschwindet zwei Jahre von der Bildfläche und vertraut seinen Laden seinen Angestellten an. Und da geht er nach seiner Entlassung nicht als Erstes in die Werkstatt, um nach dem Rechten zu sehen?« LaBréa wandte sich an den Ermittlungsrichter. »Kommen Sie, Monsieur, damit wir uns die Kassette in Ihrem Wagen anhören können. Claudine, Sie fragen in der Nachbarschaft, ob jemand irgendetwas beobachtet oder gehört hat.«
    »Es gibt hier nur noch eine Wohnung im zweiten Stock. Da wohnt aber niemand, hat uns einer der Mechaniker aus der Werkstatt vorhin gesagt. Die Werkstatt ist natürlich nachts geschlossen, Masson war also allein im Haus. Der Mörder hatte leichtes Spiel, Chef.«
    LaBréa nickte. Entweder
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