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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt
Autoren: Niels Peter Henning
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Und los!
     
    Aufwachen.
    Er riss die Augen auf.
    Verdammt!
    Was sollte das hier sein?
    Ein kleiner Raum. Wände aus Beton
und eine schwere Feuertür. An der Decke führte eine Arbeitsleuchte einen nahezu
aussichtslosen Kampf gegen die Dunkelheit.
    Und Feuchtigkeit. Überall
Wasserflecken. An den Wänden tränten Auswaschungen herab. Ein Tropfen fiel von
der Decke und landete in einer Pfütze in der Mitte des Raumes. Außerdem
bedeckte eine Art Schmiere große Flächen der Wände.
    Er befand sich offenbar in
einem Keller. In einem ziemlich heruntergekommenen Keller, um genau zu sein. Er
hatte hier geschlafen, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt. Doch weswegen
hatte er das getan? Normalerweise schlief er nicht in einem Keller.
Normalerweise schlief er … woanders. Wo? Das fiel ihm nicht ein. Woanders eben.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Bett.
    Er hätte gerne noch weiter
über seine Schlafgewohnheiten nachgedacht, doch stattdessen blitzte ein anderer
Gedanke in seinem Kopf auf: Er musste hier raus.
    Er musste raus, und zwar
schnell. Auf der Stelle. Sofort.
    Weswegen? Das wusste er
nicht. Doch er fühlte sich hier drin nicht wohl. Er sollte nicht hier sein.
Jemand suchte nach ihm. Wenn dieser Jemand ihn erwischte, dann würde er nie
wieder das Tageslicht erblicken.
    Er stutzte. Das waren
reichlich dramatische Gedanken. Doch sie fühlten sich irgendwie richtig an.
Auch wenn er nicht wusste, wo er sich gerade befand - er steckte in einer
ziemlich üblen Lage. Und deswegen musste er verschwinden.
    Also los, aufstehen!
    Gar nicht so einfach. Seine
Beine waren eingeschlafen. Sie spielten nicht mit und ließen ihn zunächst
wieder auf sein Hinterteil plumpsen. Doch er gab nicht auf und kämpfte sich auf
die Füße. Dabei kam er sich vor wie ein alter Mann.
    Er fragte sich, wie er wohl
in diesen Keller gelangt war. Hatte er sich nach einer Sauforgie hier verkrochen,
um seinen Rausch auszuschlafen? Oder war er vor jemanden weggelaufen und hatte
sich hier versteckt?
    Eine Horde Kopfschmerzen
galoppierte durch seinen Schädel und zertrampelte alle Gedanken. Besser, er
stellte sich zunächst keine Fragen. Besser, er akzeptierte die Situation
einfach, wie sie war. Er musste nur einen Ausgang finden. Sobald er wieder an
der frischen Luft war, würden die Kopfschmerzen nachlassen. Und dann würde sich
alles aufklären.
    Zunächst einmal musste er
ein Treppenhaus finden.  Oder einen Aufzug. Und dann nichts wie weg, ab
nach draußen. Sie durften ihn auf keinen Fall hier drin erwischen.
    Nur vier Schritte bis zur
Tür. Er stieg über die Pfütze in der Mitte des Raumes hinweg. Für einen
Augenblick schaute er dabei nach unten und erblickte sein eigenes Spiegelbild.
Er blieb wie angewurzelt stehen und sah genauer hin. Er sah genau das, was er
erwartet hatte - sein Gesicht. Und doch war ihm die Visage, die sich in der
Wasseroberfläche spiegelte, völlig fremd.
    Es handelte sich eindeutig
nicht um eine optische Täuschung. Wenn er zwinkerte, dann zwinkerte die Visage
in der Pfütze zurück. Alles war so, wie es sein sollte. Dennoch hatte er das
Gefühl, sich selbst nicht zu erkennen.
    Doch er hatte keine Zeit,
sich über sein Aussehen Gedanken zu machen. Er musste auf schnellstem Weg hier
raus. Also löste er sich vom Anblick seiner Visage und drückte den Türgriff
nieder.
    Abgeschlossen.
    Er stutzte. Welcher Idiot
hatte ihn eingesperrt? Dann sah er den Schlüssel im Schloss. Offenbar war er
selbst der Idiot gewesen.
    Als er den Schlüssel drehte,
fühlte es sich an, als sei das Schloss mit einer Mischung aus Sand und Öl
gefüllt. Das passte zu dieser Ekelatmosphäre hier unten. Doch weswegen hatte er
sich eingeschlossen? Sein Gehirn lieferte auch darauf keine Antwort. Es
lieferte lediglich Kopfschmerzen. Dieses verdammte Gehirn!
    Er riss die Tür auf. Sie
mündete in einen Korridor. Auch hier sah er Beton, Dreck, Schmiere und
Feuchtigkeit. Und auch hier kämpften Arbeitsleuchten mit mäßigem Erfolg gegen
die Dunkelheit an und tauchten den Korridor in eine schmutzige Mischung aus
Orange und Braun. Wasser tropfte ebenfalls - zwar nicht in Sichtweite, doch er
hörte das Plätschern, wenn ein Tropfen den Boden erreichte. Ansonsten herrschte
Stille. Totale, atemlose Stille.
    Sollte er sich nun nach
rechts oder nach links wenden? In welche Richtung er auch blickte, der Korridor
verlor sich bereits nach wenigen Schritten in der Dunkelheit. Also blieb ihm
nichts anderes übrig, als sich willkürlich für eine Richtung zu
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