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Todessphaere

Todessphaere

Titel: Todessphaere
Autoren: Thomas Rabenstein , Volker Ferkau
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die Explosion kam. Feuer, das langsam und grausig Haut, Fett und Knochen verzehrte, bevor die große Glut barmherzig aufloderte und dem Leid seines Freundes ein Ende bereitete.
    »Bitte tue es, bitte! Töte mich! Dann rette dich! Doch zuerst töte mich!«
    Du bist mein Freund. Wie sollte ich dich töten?
    »Sei barmherzig, du verdammtes Arschloch! Ich bin sowieso schon tot!«
    Dann schlug Dimitrij zu.
    Er drosch wie ein Wahnsinniger auf Rachmed ein, zertrümmerte den Schädel seines Freundes mit dem ersten Schlag, mit dem nächsten dessen Kiefer, mit dem dritten brach er ihm den Hals. Dabei schrie er und sabberte, während sein Gesicht nass wurde von Schweiß und Tränen.
    »Du wirst nicht leiden müssen, nein, nein, NEIN!« Und er schlug. »Du bist mein Freund. Du wirst nicht verbrennen!«
    Das letzte Wort floppte in der dicken Luft wie ein verpuffender Basslaut, doch Dimitrij kam es vor, als brülle er die Götter an, beschimpfe sie, beschuldige sie wegen ihrer Blindheit, und als er zitternd und bebend das Stützrohr fallen ließ, meldete sich sein Verstand.
    Er rannte los, hechtete vornüber in den Sand, drückte sein Gesicht in die heiße Schicht , und hinter ihm brüllte das Feuer los, fraß die Leiche seines Freundes, und nach einer schier endlosen Weile erschütterte eine Explosion den Planeten, an dessen Namen er sich nicht erinnern konnte.
    Dies war der Moment, in dem er erwachte.
    Er donnerte mit der Stirn gegen das transparente Dach. Es war wie ein elektrischer Schlag, der seine Muskeln kontrahieren ließ. Seine Glieder zucken unkontrolliert, und das Bild vor seinen Augen war wie weggewischt. Er blickte durch eine trübe, bläulich eingefärbte Flüssigkeit, in der sein Körper zu schwimmen schien.
    »Du bist an Bord des Entdeckerschiffes Phoenix«, erklang die künstliche Stimme der Schiffsseele , und Dimitrij erinnerte sich.
    Träumte und erinnerte sich.

Erwachen II

    Min-Hae Choung war Ärztin aus Leidenschaft.
    Min, wie sie genannt wurde, interessierte sich besonders für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Eine besondere Fähigkeit war ihr Einfühlungsvermögen, und ihre Prämedikationsgespräche waren so erfolgreich, dass Patienten ihr Geschenke brachten.
    Doch das geschah später.
    Zuerst musste sie lernen. Und das tat sie unbeschwert. Sie stellte ihre Kommilitonen bald in den Schatten , und als sie während eines Feldversuches, der von einer Pharmafirma gesponsert wurde, einen Mann, der am Rückenmark erkrankt war, mit einer Methode, die sie Focusing nannte, heilte, schuf sie sich die ersten Feinde.
    Fok using war etwas, das einige Psychologen und Ärzte in der ab urbe web-Ära genutzt hatten, um Patienten mittels eingehender Gespräche zu heilen. Man aktivierte die Selbstheilungskräfte des Patienten, indem man ihn durch gezielte Fragestellungen zum Kern seiner Probleme führte, das Problem visualisierte und mittels einer inneren mentalen Erfahrung auflöste. Min hatte eines dieser alten gebundenen Bücher in die Hand bekommen und es wissbegierig gelesen. Die Methode leuchtete ihr ein, und es dauerte nicht lange, bis sie sie mit großem Erfolg anwendete.
    Sehr zum Leidwesen ihrer Universität und später der Klinik, in der sie tätig war, denn beide Institutionen wurden von der Phar maindustrie bezahlt. Mittels Fokusing jedoch wurden einige Medikamente überflüssig und waren nur noch jenen vorbehalten, die wirklich schwer krank waren.
    Als Min schließlich eine Demonstration leitete, in der es um die Abschaffung der Medifühler in den Toilettenanlagen ging, kam sie auf eine schwarze Liste und wurde gefeuert.
    Es dürfe nicht sein, dass die Krankenversicherungen so allmächtig wurden, sogar die Privatsphäre der Menschen zu überwachen, was durch die Medifühler geschah, meinte Min und sammelte Gleichgesinnte um sich. Urinierte man morgens in sein Becken, maßen die Fühler, die mit der Zentrale der Krankenversicherung vernetzt waren, die Miktion. 30 Gramm Harnstoff und die darin enthaltenen Mengen Glucose, Proteine, Hormone und Duftstoffe wurden über einen Zentralcomputer der Krankenversicherung ausgewertet. Schon eine Abweichung über einen pH-Wert von 7,5 hinaus konnte dazu führen, dass sich das Com meldete, und man den strengen Anruf eines sachlichen Mitarbeiters bekam - falls Alkohol, Drogen oder Nikotin gefunden wurden, konnte das zu Verweisen und schließlich zum Ausschluss führen.
    Wer nicht krankenversichert war, gehörte zur Unterschicht und konnte sich ebenso gut umbringen, denn
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