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Todessphaere

Todessphaere

Titel: Todessphaere
Autoren: Thomas Rabenstein , Volker Ferkau
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…«
    »Du bist tot«, stieß Min hervor, keine sehr intelligente Bemerkung, aber sie war viel zu schockiert, um zu denken. Das Skalpell fiel auf die Fliesen.
    »Der Duft der Einsamkeit ist wie der einer Giftpflanze. Süß und berauschend, Min-Hae Choung, aber mit der Zeit verderblich«, sagte das Alien.
    »Nein, das ist ein Traum. Du sprichst nicht.«
    Der Außerirdische, ein schmales Wesen mit heller Haut und feinen Gliedern, setzte sich auf. Er legte den Kopf schräg und lächelte. »Sei keine Närrin, Ärztin. Du denkst, du bist bei einer Autopsie, doch so ist es nicht. Es ist ein Trugbild. Schau hin.«
    Min blickte sich um und fand sich in der chromblitzenden Schaltzentrale eines außerirdischen Raumschiffes wieder. Sie fing an zu kichern und schlug eine Handfläche vor den Mund.
    Ich werde verrückt!
    »Du bist in deiner ganz eigenen Welt. Dein Gemüt ist noch jung, denn du besitzt Leidensfähigkeit. Der Engel des Schmerzes ist bei dir, denn er macht dich groß. Du wächst und bist mehr, als du glaubst.«
    Ich bin verrückt!
    Der Autopsietisch war verschwunden, stattdessen stand das Wesen vor ihr, nackt wie sie selbst, ohne Kleidung, schutzlos wirkend und ungemein offenherzig.
    »Wenn ich nicht träume …«, stotterte sie. »Wenn ich nicht träume, wo bin ich?«
    »Bei dir, Min-Hae Choung.«
    »Und wer bist du?«
    »Ein Freund.«
    Deshalb also bin ich hier alleine, während die ganze Welt den Jahrhundertwechsel feiert. Ich bilde mir das alles nur ein. Vermutlich liege ich in Wirklichkeit in einer Klinik, mit Lederbändern und Schnallen fixiert!
    Und sie begann zu weinen. Heiße Tränen rannen über ihre Wangen. Ja, sie war in sich versunken, sie hatte Schmerzen, war alleine, war einsam und was sie nicht hatte, war ein Freund.
    Er ist mein Freund!
    Dieser Außerirdische ist mein Freund! Und er zeigt mir den richtigen Weg! Er zeigt mir , was geschehen kann, wenn ... und ich werde die Konsequenzen tragen.
    »Koste die Blüte des Augenblicks, schöne Min. Koste die Freundschaft , und mache aus ihr eine Frucht der Zeit.«
    Die Stimme des Außerirdischen klang rund und intensiv, so, wie Min sprach, wenn sie fokussierte und Probleme visualisierte.
    »Ich träume dich.«
    »Ich bin bei dir. Rette dich, Min. Rette dich, bevor es zu spät ist. Doch zuerst rettet euch. Rettet euch vor uns.«
    »Was willst du damit sagen? Was meinst du?«
    »Leben oder sterben, Min, nur darum geht es.«
    »Nein, nein – du bist ein Traum. Es gibt dich nicht.«
    »Dann wache auf, Min-Hae Choung. Wache auf.«
    Ich träume und träume nicht.
    Ich bin tot und ich lebe.
    Ich erwache!
    Ein zischendes Geräusch ließ ihren Körper erschrocken zusammenzucken. Die transparente Abdeckung eines Tanks schob sich im Bruchteil einer Sekunde zur Seite und gab den Inhalt frei. Min wurde nach vorn gerissen und mitsamt der öligen Flüssigkeit aus dem Tank gespült.
    »Du bist an Bord des Entdeckerschiffes Phoenix «, erklang die künstliche Stimme der Schiffsseele.

Erwachen III

    Gordon Meyers liebte es, Sterne zu klassifizieren. Er war Spezialist für Kern- und Teilchenphysik. Auch in der theoretischen Astrophysik war er bewandert und lehnte sich eng an die Plasmaphysik an. Er konnte sich monatelang mit Sternenatmosphären oder Materiewolken beschäftigen, und galt im Kreis seiner Freunde als ausgemachter Nerd, ein uralter Begriff, den man kürzlich wieder entdeckt hatte wie einen verlorenen Stern.
    Gordon war kein schöner Mann. Frauen belächelten sein schmales Gesicht, die antiquierte schwarzrandige Brille und das Ziegenbärtchen, die leptosome Gestalt und die viel zu weite Hose, die um die hageren Beine schlackerte. Diesen Habitus kultivierte Gordon dadurch, dass er langsam und leise sprach und den Terranischen Weltdialekt überbetonte, eine Sprache, die eng dem alten Spanisch glich, vermengt mit Anglizismen.
    Niemand wusste, wer Gordon Meyers wirklich war.
    Bis auf jene, die ihm in den Schluchten der Stadt begegneten.
    Wenn es dunkel war.
    Wenn Gordon sich frei fühlte.
    Dann trug er einen Ledermantel, der fast seine H acken bedeckte und ließ die Brille, die seine gelasterten Augen sowieso nicht benötigten, im Etui. Sein Körper straffte sich, und auf seiner schmalen Brust glühte das verschlungene Kreuz der Liberalen Hochgeistigkeit, wie sich die gläubigen Gegner des Papstes und der allgemeinen Weltkirche nannten.
    Er betrat eine Spelunke in Whitechapel, einem Ortsteil im London, den die Verfechter der Bauaufsichtlichen Archaisten in einen
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