Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
weder Maschinen hatte noch welche brauchte; er war kein Mutterschiff, sondern ein Vaterschiff, ja eigentlich gar kein Schiff. Er war ein Ding mit gottgleicher Macht, der Herrscher eines anderen Universums, ein Geist mit finsteren Absichten, der durch den Verzehr der einzigen Delikatesse, die er schätzte, so fett und abscheulich geworden war.
    Wer ist der gewaltigste Bote der Verzweiflung, der Meister der Täuschung, der König der Lügen?

    Molly ging wieder in den weichen, warmen Sand und suchte an der Grenze zwischen Strand und wild wucherndem Gras, bis sie einen kleinen Stock gefunden hatte. Dann ging sie dorthin zurück, wo der Sand noch feucht war, vom zurückweichenden Meer aber nicht mehr überspült wurde. Dort sank sie in die Knie.
    Eine außerirdische Spezies, die Jahrhunderte oder Jahrtausende weiter fortgeschritten ist als wir, könnte über eine Technologie verfügen, die uns nicht wie das Ergebnis angewandter Wissenschaft vorkäme, sondern völlig übernatürlich, wie reine Magie.
    Mit dem Stock begann Molly Worte in den Sand zu schreiben, die sie sich ins Gedächtnis zurückrief.
    Beim Schreiben meldete sich ein neuer Gedanke: Wenn ein übernatürliches, die ganze Welt erschütterndes Ereignis in einer Zeit ohne Glauben stattfindet, in der man nur der Wissenschaft die Fähigkeit zutraut, Wunder zu wirken, dann kann dieses Ereignis eigentlich nur als Werk einer außerirdischen Spezies gedeutet werden, die Jahrhunderte oder Jahrtausende fortgeschrittener ist als wir.
    Mollys Hände zitterten, sodass sie beim Schreiben ab und zu eine Pause machen musste. Dann standen die fremdartigen Worte, die nach dem Tod aller Astronauten von der Internationalen Raumstation zur Erde gesendet worden waren, im Sand vor ihr. Ihre Liebe zu Worten und zur Poesie und ihre Fähigkeit, sich leicht Verse einzuprägen, hatten ihr gute Dienste geleistet.
    Nimaman tsih noygel, tsih reffazull, tsih nod a bah, tsih naytass, rässärf nof neless.
    Ob das orthografisch stimmte, wusste sie nicht. Sie hatte alles einfach phonetisch wiedergegeben, wie es geklungen hatte.
    War vielleicht auch dieser Satz eine perfide Täuschung? Schließlich handelte es sich um die Worte eines Wesens, das richtig als falsch ansah und falsch als richtig, das
Freude am Leid hatte und an der Wahrheit litt, das Wahrheit in Lügen fand und alle Dinge verkehrt herum betrachtete.
    Die gemächlich am Himmel dahinsegelnde Wolke warf einen Schatten auf die Worte im Sand.
    Nach einer Weile kam die Sonne wieder.
    Leise rauschend zog die Brandung sich immer weiter von Mollys provisorischer Tafel zurück.
    Zuerst sah Molly das Wort Selen. Neless, abzüglich des einen S und rückwärts gelesen. Dann wusste sie unwillkürlich, dass die korrekte Schreibung Seelen lauten musste.
    Nahm man dem Wort tsih den letzten Buchstaben weg und drehte es um, so kam ist heraus.
    Mit ihrem Stock schrieb sie eine Übersetzung unter die Zeile, die sie in den Sand geschrieben hatte: Mein Name ist Legion, ist Luzifer, ist Abbadon, ist Satan, Fresser von Seelen.
    Molly warf den Stock in die Brandung.
    Mit einer raschen Bewegung verwischte sie die Worte und wusch sich dann die Hände im Wellenschaum.
    Sie dachte an das leuchtende Fahrzeug, das in Black Lake mehr als einmal über ihr geschwebt hatte. In seinem Licht hatte sie sich bis ins Innerste erforscht gefühlt, sodass sie sich geschämt hatte, als stünde sie nackt vor einem Fremden. Kein Fahrzeug. Ein guter Geist. Ihr Beschützer.
    Von den zahllosen Millionen, die ergriffen worden und durch die Decke geschwebt waren, hatten manche beim Übergang geschrien, andere hatten gelacht. Unterschiedliche Bestimmungsorte.
    Molly ging zurück zur Treppe, stieg hinauf auf die Klippe und trat auf ihre Terrasse.
    Neil war immer noch ins Leben von Yeats versunken. Er sah auf. »Schöner Spaziergang?«
    »Unglaublich schön«, sagte sie. »Ich habe beschlossen, noch ein Buch zu schreiben.«

    »Womöglich musst du ein paar Jahre warten, bis es wieder Verlage gibt.«
    »Das ist egal«, sagte Molly. »Mit Ehrgeiz hat es nichts zu tun. Ich schreibe nur für einen einzigen Leser. «
    »Für mich? «
    Sie nahm ihm die Biografie aus den Händen, legte sie zur Seite und setzte sich auf seinen Schoß. »Vielleicht darfst du es auch lesen. «
    »Wenn es nicht für mich ist, für wen dann?«
    Sie tätschelte ihren Bauch, in dem das Baby wuchs. »Ich schreibe es für unser Kind. Es gibt eine Geschichte, die ich ihm erzählen will, und wenn mir irgendetwas
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher