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Todesmuster

Todesmuster

Titel: Todesmuster
Autoren: Norbert Horst
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dem Tablett zwei kleine Gläser mit trübem Zeug. Ab der Hälfte ist sein breites Lachen zu erkennen, er kommt nahe ran, bleibt stehen, warmer Blick. Er sagt was Türkisches, hält das Tablett hin, nimmt das andere Glas, prostet zu. Derselbe Schnaps wie vor ein paar Tagen.
    »Was heißt das, Sener?«
    »Der Mensch ist dem Menschen nötig, ungefähr. Altes türkisches Sprichwort.« Er gibt einen Klaps auf den Oberarm, geht zurück.
    »Sener.«
    Er bleibt stehen, dreht sich um.
    »Wie heißt das Sprichwort?«
    »Der Mensch …«
    »Nein, auf Türkisch.«
    »Insan, insana muhtactir.« Freundliches Blinzeln, er schiebt ab.
    Irgendein Gewürz ist da drin. Keine Ahnung. Schmeckt aber gut.
    19 Uhr 43
    Die Hand auf dem Unterarm, Adrenalin jagt einen Stoß durch die Knochen. Aus den Augenwinkeln eine dunkle Gestalt auf der Bettkante. Weiche Silhouette vor dem Licht des Fensters, das Parfüm. Das ist Carmen.
    »Mein Gott, hast du mich erschreckt.«
    »Das wollte ich nicht.« Sie streicht über die Wange. Puh, erst mal erholen.
    Sie lehnt sich zurück, stützt sich auf den Ellbogen ab.
    »Schön, dass du da bist.« Die Haut auf ihren Schenkeln ist warm.
    Sie kommt wieder vor, schiebt mit sanftem Griff die Hand zurück. Beim Aufrichten raschelt ihre Bluse. Sie setzt sich in den Stuhl vorm Fenster, das Halbdunkel verbirgt ihr Gesicht. Sieht selbst als Schattenfigur noch aufregend aus.
    »Na, los, zieh dich aus! Komm zu mir!«
    »Deshalb bin ich nicht gekommen.« Leise, mit belegter Stimme.
    »Weshalb dann?«
    »Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden.«
    »Fährst du weg?«
    »Das auch. Ich fliege morgen nach Istanbul. Aber ich verabschiede mich auch so von dir. Erst mal.« Das Letzte mit drei Sekunden Verzögerung.
    Ist das ein Traum? Was meint die? Was soll das Ganze denn?
    »Liegt das an meinem Tran, Carmen, oder woran? Ich verstehe kein Wort.«
    Sie holt zweimal tief Luft, sieht auf den Boden. Das ist selbst im Dunkeln zu erkennen. »Ich will nicht viel reden, Konni, das kriege ich wahrscheinlich auch gar nicht hin, das habe ich mir vorgenommen. Aber ich kann das so nicht mehr. Es fing an, als du die neun Wochen weg warst. Da hat sich für mich etwas verändert. In diesen Wochen hatte ich jeden Tag größere Sehnsucht nach dir. Erinnerst du dich? Bei unserem Wiedersehen habe ich dir eine Frage gestellt.« Ja, ja, schwierige Fragen beim Wiedersehen. »Und seitdem ist mein Gefühl für dich eigentlich immer intensiver geworden. Aber deines nicht. Für so was habe ich ein deutliches Gespür, glaub mir. Erst habe ich immer gedacht, es wäre dein Beruf oder deine jetzige Situation, weil du eben sehr wenig Zeit hast in so einer Mordkommission. Aber das ist es nicht. Du bist es. Oder besser, deine Art, Beziehungen zu leben. Du kannst das wahrscheinlich nicht anders, das heißt, ich bin mir sicher, du kannst es nicht anders. Als wir uns kennen lernten, war es auch von meiner Seite aus locker. Wir trafen uns, hatten Sex und hatten Spaß, und das war es dann. Aber mit der Zeit freute ich mich sehr auf unsere Treffen, sehr, sehr. Und ich war immer trauriger, wenn ich wieder fuhr. Zum Schluss war ich schon traurig, wenn ich zu dir kam. Und das will ich nicht mehr.«
    Bahnhof, böhmische Dörfer, Lyrik in Kisuaheli. Ich verstehe kein Wort.
    »Ich raff das alles nicht, Carmen. Wir hatten doch wunderschöne Tage miteinander. Was soll ich denn machen?«
    Sie steht auf, bückt sich, greift ins Haar. An ihren Handgelenken das schwere Parfüm. »Das ist ja das Schlimme. Ich glaube, du kannst da gar nichts machen.«
    Sie kramt in ihrer Handtasche, legt den Schlüssel auf den Tisch, kommt zurück, ein sanfter Kuss. Die Tür fällt ins Schloss, ihre Schritte werden leiser.
    Irgendwo im Haus die Fanfare der Tagesschau.

DONNERSTAG
    08 Uhr 41
    »Lass die Tür ruhig auf.« Ulla gibt ihr beim Rausgehen einen Stoß, sie schlägt sacht zurück an den Aktenschrank. Glowatzki und Edda gehen vorbei, Angelmeier in der Mitte, ohne Handfessel. Auf zur nächsten Runde. Der Stapel im Rücklaufkörbchen verrutscht schon, endlich mal die Hausaufgaben erledigen.
     
    Spur 112
    Auf die vom Pfarrer in den Jugendgruppen gehaltene Nachfrage hat sich …
     
    Ernst schleicht herein, legt einige Blätter auf den Stapel, nimmt sie wieder an sich, ein letzter Kontrollblick.
    Es klopft. Im Türrahmen Frau Marker vom Jugendamt, rote Hose, weißes Oberteil, in der Hand einen Umschlag. Ernst maskiert seinen langen Blick mit Desinteresse.
    »Guten Morgen, Herr
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