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Todesküste

Todesküste

Titel: Todesküste
Autoren: H Nygaard
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angehörte.
    Es dauerte eine Weile, bis ihnen eine schmächtige
ältere Frau mit einem faltenreichen Gesicht öffnete. Sie sah die beiden Beamten
fragend an.
    »Guten Tag. Wir sind von der Polizei. Können wir mit
Frau Meiners und dem Sohn sprechen?«
    »Polizei? Sie sind wirklich nicht von der Zeitung?«,
fragte die Frau mit erstaunlich fester Stimme.
    Schwälm wollte seinen Ausweis zücken, aber die Frau
winkte ab und gab den Eingang frei. »Ich bin die Schwiegermutter«, sagte sie.
    »Frau …?«
    »Oldenberg. Kommen Sie rein.« Sie führte die
Polizisten durch einen engen Flur, von dem eine Holztreppe ins Obergeschoss
führte, ins Wohnzimmer.
    Der Hauptkommissar ließ seinen Blick in die Runde
schweifen. Der Raum, der die gesamte Rückfront des Hauses einnahm und zum
Garten führte, war mit Möbeln vollgestopft. Ein Tisch mit sechs Stühlen und
eine dazu passende Anrichte aus Kiefernholz bildeten die Essecke. Zwei über Eck
stehende Sofas und ein ebenso wuchtiger Sessel standen um einen mit Kacheln
belegten Tisch. Das Holz der Anbauwand passte nicht zum Esszimmer, und die vier
unterschiedlich großen Teppiche harmonierten nicht untereinander. Eine
Raffgardine deckte den oberen Teil des Fensters ab und ließ Platz für die
zahlreichen Blumentöpfe, die auf der Fensterbank standen, unter der ein
gusseiserner Heizkörper den Raum ausfüllte.
    Die beiden Kinder lümmelten sich in jeweils einer
Sofaecke, während Dörte Meiners, die in der Mitte der Sitzgruppe saß, aufsah.
    »Die beiden sind von der Polizei«, erklärte die
Schwiegermutter und sah die Tochter an. »Heike, mach mal Platz für die Herren.«
    Das Mädchen stand auf und kuschelte sich auf das
zweite Sofa neben ihre Mutter.
    »Was wollen Sie?«, fragte Frau Oldenberg, die
widerspruchslos das Regiment übernommen hatte.
    Die Beamten setzten sich. Schwälm hob die Hand an den
Mund und räusperte sich, bevor er sprach. »Frau Meiners, Sie haben es schon vom
Krankenhaus gehört?«
    Die blonde Frau nickte. Dann schluchzte sie und
wischte sich mit dem Handrücken übers Auge. Niemanden störte es, dass sich ihr
Lidschatten schon lange verwischt hatte.
    »Wir möchten Ihnen unser Beileid aussprechen.«
    Die Schwiegermutter hatte im Sessel Platz genommen, in
dem die zierliche Frau fast verschwand.
    »Meine Tochter ist im Augenblick nicht ansprechbar.
Aber ich könnte Ihnen ein paar Fragen beantworten. Schießen Sie los«, forderte
sie den Hauptkommissar auf.
    Vorsichtig bemühte sich Schwälm, etwas über den
Verlauf der Tat in Erfahrung zu bringen. Dörte Meiners und ihre Tochter hatten
nichts mitbekommen und konnten keine Angaben machen. Lars wiederholte mit
stockender Stimme, wie er es erlebt hatte.
    »Ich habe den Bettler gesehen. Aber ob er nahe bei
meinem Vater war, kann ich nicht sagen. Ich bin ja vorausgegangen. Das Ganze
spielte sich hinter meinem Rücken ab.«
    Oberkommissar Bongers hielt dem Jungen die
Digitalkamera hin und zeigte ihm die verschiedenen Bilder, die sie von der
Bettlerin aufgenommen hatten.
    »Können Sie die Person wiedererkennen?«
    »Sagen Sie ruhig ›Du‹ zu Lars. Der ist doch erst
vierzehn«, mischte sich Frau Oldenberg ein, während ihr Enkel konzentriert auf
das Display des Apparats sah. Dann zuckte er resigniert die Schultern.
    »Das weiß ich nicht. Ich kann das echt nicht sagen.
Ich habe die Gestalt doch nur ganz kurz gesehen. Vielleicht ist er es –
vielleicht auch nicht.«
    »Bist du dir sicher, dass es ein Mann war?«
    »Klar«, antwortete Lars.
    »Hast du das genau gesehen?«
    Der Junge zögerte ein wenig, bis er antwortete. »Das
nicht. Aber es muss doch ein Mann gewesen sein. Eine Frau tut so etwas
nicht.«
    »Weißt du genau, was passiert ist?«
    »Nicht wirklich.« Dann unterbrach er seine
Ausführungen, schluckte heftig und konnte seine Tränen, die er bisher mannhaft
unterdrückt hatte, doch nicht mehr zurückhalten. »Mein Papa ist tot«, stieß er
gepresst hervor.
    Seine Oma beugte sich über den Tisch und reichte ihm
ein Papiertaschentuch. »Hier«, sagte sie barsch. Dann sah sie Schwälm an. »Sie
sehen doch, dass meine Familie heute keine gescheiten Antworten geben kann.«
    »Für uns zählt jede Minute. Je schneller wir Hinweise
auf ein mögliches Motiv bekommen, desto größer ist die Chance, den Täter zu
fassen.«
    »Täter?«, fragten Frau Oldenberg und Dörte Meiners
gleichzeitig.
    Die beiden Beamten wechselten einen raschen Blick.
»Wir müssen davon ausgehen, dass Ihr Schwiegersohn ermordet
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