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Todesküste

Todesküste

Titel: Todesküste
Autoren: H Nygaard
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auf eine andere
Ebene ab, während der BMW dem Ford
Fiesta hinterherfuhr und sich auf den freien Platz neben dem grünen Kleinwagen
stellte. Ein hochgewachsener blonder Mann mit durchtrainierter Figur, knapp
unter einem Meter neunzig, schälte sich aus dem BMW und lächelte die junge Frau an, die ihren Ford verließ.
    »Moin, Herr Lüders«, grüßte die Frau und schloss ihren
Wagen ab.
    »Hallo, Frau Beyer«, erwiderte Lüder Lüders und ging
neben der Sekretärin ihres gemeinsamen Chefs zum Gebäude, in dem beide ihre
Arbeitsplätze hatten.
    »Hatten Sie ein schönes Wochenende?«
    Edith Beyer strich sich eine vorwitzige Haarsträhne
aus der Stirn. »Danke. Wir waren so richtig faul. Mein Freund und ich. Wir
haben den ganzen Sonntag auf dem Balkon verbracht.«
    Lüder schenkte ihr ein Lächeln. »Und was haben die
Nachbarn dazu gesagt? Können die so viel Freizügigkeit ab?«
    Sie stieß ihm vorsichtig in die Seite. »Aber, Herr
Lüders. Woran Sie schon wieder denken. Und Sie? Was haben Sie gemacht?«
    Lüder lachte und zeigte dabei zwei Reihen weißer
Zähne. »Wir haben doch schon vier Kinder. Deshalb haben wir es vorgezogen, den
Sonntag am Strand zu verbringen. Wir waren etwas oberhalb von Damp.«
    »Was macht Ihre Kleine?«
    »Sinje? Die entwickelt sich prächtig. Die ist jetzt zwei.
Heute Morgen hat sie mich mit einem breiten Lachen verabschiedet und ›Papa
peng-peng‹ gesagt.«
    Jetzt lachte auch Edith Beyer. »Da steckt doch sicher
Jonas dahinter.«
    Lüder nickte. Jonas war das Enfant terrible der
Familie. Er war der Sohn aus Lüders geschiedener Ehe, während Margit Dreesen
die beiden Kinder Thorolf und Viveka mitgebracht hatte. Sinje, ihre gemeinsame
Tochter, vervollständigte die muntere Kinderschar. Auch wenn Lüder und Margit
noch keine Zeit zum Heiraten gefunden hatten, sprachen die Kinder wie
selbstverständlich untereinander von »meinem Bruder« oder »meiner Schwester«.
    Jonas forderte seinen Vater besonders intensiv auf,
über die aus seiner Sicht spannenden Erlebnisse eines Kriminalbeamten zu
berichten. In seiner kindlichen Fantasie war Lüder im steten Kampf gegen das
Böse mit dem Revolver im Anschlag unterwegs. Selbst Jonas’ Besuche im eher
tristen Büro seines Vaters hatten ihm bisher nicht die Illusionen vom
spektakulären Leben des Polizisten rauben können. So hatte er auch viel Mühe darauf
verwandt, der kleinen Schwester die Geste des Schießens mit hochgestrecktem
Daumen und ausgestrecktem Zeigefinger beizubringen. Und Sinje empfand großes
Vergnügen dabei, ihren Vater mit »Papa peng-peng« zu begrüßen.
    Sie hatten den Flur erreicht, von dem ihre Büros
abzweigten. »Viel Spaß«, wünschte Edith Beyer und verschwand hinter der Tür.
Lüder ging den gefliesten Gang ein paar Meter weiter, bis er vor der Tür mit
seinem Namensschild stehen blieb.
    »Kriminalrat Lüders. Abteilung 3«, stand dort. Eingeweihte
wussten, dass sich hinter dieser nüchternen Bezeichnung der Polizeiliche
Staatsschutz verbarg, jene Einheit, die für die Verfolgung politisch
motivierter Straftaten zuständig ist, links- und rechtsextremistische Vergehen,
terroristische Verbrechen und Brand- und Bombenanschläge aufklärt.
    Lüder besorgte sich aus einem Nebenbüro einen Kaffee,
wechselte ein paar belanglose Worte mit den dort sitzenden Kollegen und warf
einen Blick in die Morgenpresse. Jetzt, inmitten der Sommerferien, schwieg die
große Politik. Es gab ein paar Hinterbänkler, die sich mit obskuren Ideen an
die Füllung des Sommerlochs machten. Für Lüder waren Meldungen dieser Art die
»Nessie-Geschichten« aus der Politik. Der Sportteil der Zeitung war auch recht
dünn, da der sonst die Spalten füllende Fußball ruhte. Das galt auch für den
Handball, der in Kiel populärer war als der »große Bruder« Fußball. Im
überregionalen Schleswig-Holstein-Teil fand Lüder eine kurze Notiz über einen
rätselhaften Mord in Heide. Dort war inmitten des Volksfestes »Heider
Marktfrieden« ein Familienvater erschossen worden. Noch, so hieß es, tappe die
Polizei im Dunkeln und habe keine Spur vom Täter.
    Nun war das nördlichste Bundesland noch eine relativ
heile Welt, zumindest was die Schwerkriminalität anbetraf, und Morde gehörten
gottlob nicht zum Alltag, dachte Lüder, selbst wenn auch Schleswig-Holstein
nicht von Tötungsdelikten verschont blieb. Der Fall war in guten Händen bei der
zuständigen Mordkommission. Mit dieser beiläufigen Feststellung ging Lüder zum
Kulturteil der Zeitung weiter.
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