Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todeshunger

Todeshunger

Titel: Todeshunger
Autoren: David Moody
Vom Netzwerk:
Zwar ging man allgemein davon aus, dass die Veränderung vorbei war und man inzwischen genau sagen konnte, ob die Person, die neben einem stand, einem den Kopf abreißen würde oder nicht, dennoch blieben Gespräche zwischen Fremden kurz und nervös und fanden nur statt, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Man wanderte ständig auf einem schmalen Grat; es war gefährlich, jemanden zu ignorieren, aber wenn man zu heftig reagierte, konnte das noch schlimmere Folgen haben. Niemand sollte den Eindruck bekommen, man wäre einer von denen. Mark wusste von Marshall nur den Namen, und so sollte es auch bleiben.
    Zeit für den Einsatz. Marshall ließ den Motor des Lastwagens an, und das plötzliche Klappern, der Lärm und die Vibration machten Mark noch nervöser und ängstlicher, als er ohnehin schon war. Vergiss nicht, warum du das machst, sagte er sich immer wieder. Davon abgesehen, dass ihm diese Ausflüge außerhalb der so genannten »Sicherheitszone« ermöglichten, der Enge des beschissenen Hotelzimmers zu entfliehen, in dem er, seine Freundin und mehrere andere Familienmitglieder einquartiert worden waren, erhielten Freiwillige bei Militäreinsätzen, so wie er, zusätzliche Rationen als Belohnung – einen saftigen Anteil von allem, was sie mitbrachten.
    Noch wichtiger schien ihm jedoch, dass es einem Gefühl
der Rache ziemlich nahe kam, wenn er hinausging und zusah, wie diese bösartigen Bastarde gejagt und zur Strecke gebracht wurden. Und bei Gott, er brauchte eine Art von Rache oder Vergeltung. Sein ganzes Leben war aus den Fugen geraten, und er selbst trug nicht die geringste Schuld daran. Er hatte alles verloren, wie die meisten anderen auch, und irgendjemand musste dafür büßen.
    Der Lastwagen setzte sich in Bewegung und kam nur wenige Zentimeter vom vorderen Fahrzeug entfernt zum Stillstand, dann fuhr er wieder ruckartig an, als der ganze Konvoi Fahrt aufnahm. Mark ließ den Blick über den Park schweifen, als gerade ein bewaffneter Helikopter vom Landeplatz auf dem Fußballfeld startete und über ihnen Position bezog – ihr Begleitschutz und ihre Augen, solange sie sich außerhalb der Stadt aufhielten.
    Von einer zentralen Stelle aus erstreckte sich ein einziger Streifen grauen Asphalts durch den Park, führte über einen großen, rechteckigen Parkplatz (wo jetzt ausschließlich Militärfahrzeuge standen) und verlief weiter als eine beiderseits von Bäumen und Hainen gesäumte Zufahrt von rund einer halben Meile Länge. In einer Kurve dieser Straße schirmte Mark die Augen vor der unbarmherzigen Nachmittagssonne ab und ließ den Blick über diesen bizarren militärischen Sperrbezirk schweifen. Wie hatte es nur so weit kommen können? In den Schulferien hatte er als Kind hier gespielt, und jetzt das. Mit dem Dorf aus Zelten und Wohncontainern sah es wie in einem Elendsviertel der Dritten Welt aus. Oder wie die schlecht organisierte humanitäre Hilfe nach einer verheerenden Naturkatastrophe – die Nachwirkungen eines Wirbelsturms, Tsunamis, Erdbebens oder einer Dürre? Aber so etwas war hier nie geschehen. Er zwang sich, den Blick von dem endlosen Strom der Flüchtlinge abzuwenden, die jeden
sichtbaren Quadratmeter des Landes zu bedecken schienen, zwang sich ebenso, ihre unablässigen Schreie und ihr Stöhnen nicht wahrzunehmen, die trotz des Motorenlärms zu hören waren, und ignorierte den üblen, ranzigen Gestank, der in der Luft lag, so gut es ging. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Baumkronen, die sich sanft in der Frühsommerbrise wiegten. Das war der einzige Teil der Welt, der noch aussah wie in den Zeiten vor dem Hass.
    Er empfand es als Erleichterung, als sie die Zufahrt erreichten und Marshall den anderen Fahrzeugen nach rechts folgte. Doch selbst da waren überall Leute, die sich auf der verzweifelten Suche nach Schutz und Schatten unter den Bäumen drängten. Es waren mehr als bei seinem letzten Ausflug mit Marshall. Er konzentrierte sich auf eine bestimmte Frau, die mit überkreuzten Beinen im Gras saß und verzweifelt versuchte, ein hysterisches, zappelndes und kreischendes Kind festzuhalten. Inmitten ihrer wenigen Habseligkeiten in Plastiktüten wiegte sie das verängstigte, untröstliche kleine Mädchen. Er fragte sich, was dieser Frau zugestoßen sein mochte, dass sie hierhergekommen war. Hatte sie einen Partner gehabt? Hatte er sich gegen sie gewandt? Gab es noch mehr Kinder? Sie schaute auf, bemerkte seinen Blick, und er wandte sich hastig ab. Er vergaß sie fast augenblicklich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher