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Ankunft Der Woelfe

Ankunft Der Woelfe

Titel: Ankunft Der Woelfe
Autoren: Mo , Sue Twin
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Prolog
    1
    Mesa Verde, Colorado
    Manches Unheil kündigt sich mit Schmerzen an. So war es auch in jener Nacht.
    Über den Canyons stieg der blasse Vollmond auf, tünchte die schroffen Felsen und Höhlen in fahles Licht. Auf dem Hochplateau ächzten und knarrten die Kiefern im Wind. Frost fraß sich von den höheren Hängen bis in die Täler hinab, ließ das spärliche Büffelgras erstarren.
    In einem Dorf am Rande der Mesa Verde stand eine junge Frau hinter der Mauer eines Steinhauses, krallte die Fingernägel in die wunden Handflächen und lauschte auf die sich entfernenden Schritte der Wachen.
    Sie nannte sich Yas , was auf Navajo Schnee bedeutete, denn eine weiße Strähne zog sich durch ihr schwarzes Haar.
    Yas wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und blickte zitternd zum Himmel. Im Osten stand der Sternhaufen der Plejaden. Demnach musste es nach Mitternacht sein. Zeit zu gehen. Ein letztes Mal presste sie die Hände auf den schmerzenden Leib. Sie wusste, etwas Furchtbares würde geschehen. Die bösen Mächte hatten sich angekündet: in Träumen, in denen blutgetränkter Schnee schwarze Canyon-Landschaften unter sich begrub, und in Visionen, in denen Furcht einflößende Wölfe mit blutigen Zähnen und Klauen nach ihr schlugen. Kein Zweifel, das Böse war viel stärker als der Traumfänger aus Weidenrute über ihrem Bett. Es war stärker als jede Medizin. Daran konnten auch die Ärzte mit ihren Stethoskopen und den sterilen Bestecken nichts ändern.
    Mit angehaltenem Atem lauschte Yas auf verdächtige Geräusche. Doch im Camp war jetzt nur noch das monotone Brummen der Generatoren zu hören, hin und wieder unterbrochen vom leisen Winseln eines Hundes.
    Wie ein Schatten schlich die Navajo über die Pinienholzplanken der Veranda. Der Schrei einer Eule hallte plötzlich durch die Nacht. Die junge Frau erzitterte unter der im indianischen Muster gewebten Decke, die sie um ihre schmalen Schultern geschlungen hatte. Das Herz schlug ihr wild in der Brust. Der Hals war wie zugeschnürt. Vorsichtig setzte sie die nackten Zehen auf den staubigen Weg.
    Die Ohren der Security und der Wachhunde waren überall. Doch konnten sie das Fallen einer Feder hören? So leise müsste sie sich fortbewegen, wollte sie unentdeckt bleiben. Sie musste es einfach riskieren.
    Noch einmal hielt sie den Atem an und schlich weiter zum nächsten Gebäude, vorbei an den Müllcontainern und schließlich in die undurchdringliche Finsternis der Nacht, die hinter dem Camp die Geistwesen, Wölfe und Coyoten bei ihren rastlosen Beutezügen umarmte.
    Mehrmals musste sie auf dem Weg zu den Canyons stehen bleiben und die Ahnen um Kraft bitten, so plötzlich und schmerzhaft krampfte ihr Leib. Dabei war ihr Bauch kaum gewölbt. Der Zustand währte erst seit fünf Monden. Viel zu früh für Wehen. Doch die Träume und die rasenden Schmerzen waren eindeutig. Und Yas zweifelte nicht an den überdeutlichen Zeichen, auch wenn die Ärzte bei ihren Untersuchungen nie eine Andeutung gemacht hatten, etwas könne nicht in Ordnung sein.
    Auf dem Geröllweg zwischen Dorf und Canyon sprang ein Stein mit dumpfem Klacken dahin. Wie versteinert hielt sie den Atem an, wartete auf das wilde Anschlagen der Hunde und die Rufe der Wachen. Doch es blieb still. Erleichtert schlich sie weiter und gönnte sich erst wieder auf dem gewundenen Pfad, der zu den höher gelegenen Hängen führte, eine kurze Rast.
    Eine halbe Stunde später erreichte sie die Frostgrenze. Sie konnte es deutlich fühlen. Die spärlichen Büffelgräser kräuselten sich knisternd unter ihren Fußsohlen und hallten in die Stille des Canyons wie das Rattern vorbeifahrender Pick-ups, wenn die Mädchen auf die Männer gewartet hatten. Bei dieser Erinnerung biss sie sich vor Schmerz und Kummer auf die Lippen und krümmte sich.
    Mexikanische Steinkiefern, Koniferen und Utah-Wacholder rauschten eindringlich auf den Höhen und schienen ihren Namen zu raunen. Sie wickelte die Decke enger um ihren brennenden Körper und stolperte weiter, immer höher hinauf, bis sie endlich die Sandsteinhöhle erreichte, die sie vor einigen Tagen entdeckt hatte.
    Die Höhle lag, zur Hälfte eingestürzt und verwittert, hinter magerem Büffelgras und Sträuchern. Nur selten verirrte sich jemand hierher in die Wildnis. Die Besucher des Naturparks zog es zu den historischen Anasazi-Siedlungen in den Felsen, und auch die Ranger kamen nur sehr selten in die abseits gelegenen Canyons.
    Der Mond war über dem Kiefernwald aufgestiegen,
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