Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen
Autoren: Jan Beinßen
Vom Netzwerk:
die USA sich auf weitere Abrüstungsrunden mit den Sowjets einlassen.« Gabriele schürzte die Lippen und legte mit gewählten Worten ihre These dar: »Ich denke, dass er mit den Anschlägen den früheren Zustand des Mächtegleichgewichts wieder herstellen wollte, indem er die Katastrophe den Sowjets in die Schuhe geschoben hätte. Um dieses Ziel zu erreichen, nahm er den Tod einiger Tausend seiner Landsleute in Kauf, meinte er doch, gleichzeitig das Ende einer ganzen Nation zu verhindern. Sein Land wäre nach dem Anschlag aller Wahrscheinlichkeit wieder in alte Denkstrukturen zurückverfallen – und für ihn hätte dies womöglich eine späte, aber aus seiner Perspektive verdiente Reputation bedeutet.«
    »Was für ein teuflischer Plan«, sagte Diehl leise und blickte Gabriele anerkennend für ihre geistigen Winkelzüge an.
    »Wenn er je existiert hat«, ließ Sina Zweifel anklingen. »Können wir denn hundertprozentig sicher sein, dass wirklich er dahinter steckte?«
    »Du hast ihn doch mit eigenen Augen gesehen«, sagte Gabriele, wobei ein leiser Vorwurf mitschwang.
    »Ja, aber es war dunkel und er saß einige Meter von uns entfernt«, gab Sina zu bedenken und hielt Gabrieles strengem Blick trotzig stand.
    Diehl hob beide Hände: »Ihr braucht euch deswegen nicht zu streiten. Denn wir werden es nicht beweisen können. Und wir werden an diesen Mann niemals persönlich herankommen. Er genießt jede nur erdenkliche diplomatische Immunität, er ist unantastbar.« Dann verzog sich sein Gesicht. »Ganz im Gegensatz zu mir. Denn auf mich wartet ein Disziplinarverfahren wegen diverser Dienstvergehen. Mein Job als Kripochef liegt vorerst auf Eis.«
    Gabriele rückte näher an ihn heran und ließ ihr Weinglas an seines klirren. »Lieber Eduard, du weißt nur zu gut, dass sich das Verfahren in Rauch auflösen wird und man dir gleich danach ein oder zwei Orden an die Brust heftet. Du bist der Held der Stunde!«
    »Ja!«, bekräftigte Sina. »Sie haben ein Attentat nie gekannten Ausmaßes verhindert! Ohne Ihr beherztes Eingreifen wäre die Präsidentenmaschine mit einer Biowaffe an Bord zurück nach Washington geflogen und hätte dort eine Masseninfektion mit dem Marburg-Virus ausgelöst.«
    Diehl winkte ab. »Es gibt bis heute keine offizielle Bestätigung der Amerikaner, dass eine solche Biobombe tatsächlich an Bord gewesen ist.«
    »Ich bitte dich«, sagte Gabriele und lächelte Diehl an. »Der Vizepräsident wurde in aller Eile mit einem Ersatzflugzeug ausgeflogen und der Präsidentenjet unter höchster Geheimhaltung in seine Einzelteile zerlegt. Der Nürnberger Flughafen ist während dieser Zeit komplett gesperrt gewesen. Das hätte man nie und nimmer bei einem Fehlalarm getan.«
    Sina schüttelte den Kopf. »Viren, Bomben, Gefangenschaft, Psychoterror und dann auch noch ein Beinaheabsturz. Ich bin froh, dass wir diesen ganzen Horror endlich hinter uns haben.« Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf. »Nichts für ungut, aber ich lasse euch jetzt allein. Ich muss endlich mal wieder unter Leute kommen – unter andere Leute.«
    Gabriele grinste sie wissend an. »Heißen diese anderen Leute zufällig Harry?«
    Sina lief prompt rot an. »Woher weißt du …?«
    Gabriele wechselte einen kurzen Blick mit Diehl. »Es ist uns nicht verborgen geblieben, wie ihr beide euch bei der Bestandsaufnahme gestern im Präsidium angehimmelt habt.«
    »Also, bis dann.« Sina machte keine Anstalten, sich weiter zu erklären, und verließ flink die Runde.
    Diehl begriff die neue Situation als Chance für sich und wollte nach Gabrieles Hand tasten, die ihre jedoch zurückzog. »Lass uns nichts überstürzen«, sagte Gabriele sanft, aber unmissverständlich. »Ich muss unser letztes Abenteuer erst verdauen, bevor ich mich in ein neues stürzen kann.«
    Diehl, leicht beleidigt und gleichwohl verständnisvoll, stand nun ebenfalls auf. »Ich verstehe«, sagte er und umarmte Gabriele zum Abschied.
     
    Dann war sie allein. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, schloss die Augen und atmete tief ein und wieder aus. Dies war das Ende der Geschichte. Das Ende einer beinahe unendlichen Geschichte, die sich über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren erstreckt hatte. Angefangen bei ihren Erlebnissen auf der Ostseeinsel Peenemünde, gefolgt von ihren haarsträubenden Erfahrungen von Berlin und Nürnberg und abgeschlossen mit der Tortur, die sie in Grafenwöhr durchstehen mussten. Das alles war nun vorbei, abgeschlossen und beendet. Gabriele
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher