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Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen
Autoren: Jan Beinßen
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sodass sie freie Sicht voraus hatten. Alle guckten jetzt gebannt aus den Vorderfenstern. Sie sahen die Piste vor sich. Das Flugzeug nahm Fahrt auf. Sie spürten, wie die Räder über Steine und durch Schlaglöcher rollten. Sie merkten, dass sie schneller wurden. Sie fieberten dem Start entgegen, hofften darauf, bald die Wolken zu durchstoßen.
    Aber dann stand er direkt vor ihnen! Der Ire stellte sich mitten auf die Startbahn! Breitbeinig, das Gewehr im Anschlag. Sein mächtiger Kopf, die stiernackige Statur – Sina gewann den Eindruck, dass nichts und niemand dieses Monstrum von einem Mann jemals würde zerstören können. Sie sah in die Mündung des Gewehrs, die direkt auf sie zielte und dachte, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen.
    »Oh, nein!«, schrie Gabriele auf, als auch sie den Iren wahrnahm. Mitten im Weg! Ausweichen unmöglich! Diehl griff instinktiv nach Gabrieles Hand, drückte sie fest.
    Jetzt ging es Schlag auf Schlag: Das Flugzeug preschte voran. Der Ire betätigte den Abzug seiner Waffe. Die Pilatus jagte mit rasantem Tempo auf ihn zu. Der Ire schoss. Die Luftschraube näherte sich ihm mit drei Metern pro Sekunde. Die Kugel schlug in den Motorraum ein. Der Propeller erreichte die Position des Iren. Huber zog am Steuerknüppel, um abzuheben. Der Ire versuchte einen Ausweichschritt. Die scharfkantigen Blätter des Propellers erfassten ihn. Zerschnitten Kopf und Rumpf in Streifen. Verteilten Hautfetzen, Fleischklumpen und Knochensplitter in einem Umkreis von zehn Metern.

32
     
    Sie blieben im Tiefflug, so niedrig, dass sie Wälder, Felder, Straßen und Bahnlinien sehen konnten. Als Diehl gerade begann, sich von der Aufregung und den Strapazen der letzten Minuten zu erholen und etwas zu entspannen, tippte ihn Huber an die Schulter. Er machte ihm ein Zeichen, den Kopfhörer aufzusetzen. Diehl folgte der Aufforderung.
    »Wir haben ein neues Problem«, redete Huber in sein Mikrofon und deutete nach vorn. »Öl auf der Windschutzscheibe.« Hubers Stimme war ruhig, aber eindringlich.
    Diehls Herz machte einen Satz, als er bemerkte, wie goldgelbe Fäden über die Scheibe liefen und sich von unten kommend auf dem Glas ausbreiteten. Entsetzt begann er zu begreifen, was vor sich ging: Der Ire musste mit seinem letzten Schuss den Motorblock getroffen und eine Leitung zerfetzt haben! Heißes Öl, das normalerweise zur Schmierung der Kolben dienen sollte, gelangte aus dem Motorraum und lief an der Motorhaube entlang. Der Fahrtwind presste das Öl nach hinten, sodass es gegen die Frontscheibe schlug. Es wurde immer mehr. In absehbarer Zeit würde es dem Piloten die Sicht nehmen.
    »Verflucht, was machen wir jetzt?«, fragte Diehl und sah sich besorgt nach den Frauen um. Diese waren ganz mit sich selbst beschäftigt und hatten von der neuen Gefahr noch nichts mitbekommen.
    »Genau auf Kurs bleiben, damit wir nicht die Orientierung verlieren«, sagte Huber, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen.
    »Okay«, meinte Diehl, dem es weitaus schwerer fiel, nicht nervös zu werden. »Aber wenn das ganze Öl ausläuft, frisst sich der Motor fest. Und wie sollen wir landen, wenn wir nicht sehen, wo die Bahn ist?« Auf einmal kam ihm eine Idee: »Können wir die Scheibe einschlagen?«
    Huber winkte ab. »Das ist Sicherheitsglas, sehr stabil. Und selbst wenn, bräuchten wir Fliegerbrillen gegen den Fahrtwind.«
    Der Pilot steuerte sein Flugzeug stur geradeaus, während der Ölfilm auf der Scheibe immer undurchdringlicher wurde. Eine Notlandung auf einer Wiese oder einem Acker war nicht mehr möglich, das war auch Diehl klar. Über einen Scheibenwischer verfügte das Flugzeug nicht, aber egal, denn die Wischerblätter hätten wohl alles nur noch schlimmer gemacht.
    Huber erklärte: »Wir brauchen einen Verkehrsflughafen mit einer ausreichend langen und breiten Piste für einen Instrumentenanflug. Und einen guten Lotsen, am besten einen, der selbst Flieger ist.«
    Angesichts des rapide stärker werdenden Ölaustritts kam nur Nürnberg infrage. Doch, so ging es Diehl durch den Kopf, der Airport müsste wegen des Staatsbesuchs inzwischen gesperrt sein.
    Huber kümmerte sich nicht um diese Begleitumstände, sondern nahm umgehend Funkkontakt mit dem Nürnberger Tower auf. Er meldete der Kontrollstelle den Notfall und kündigte an, Nürnberg direkt anzufliegen.
    Diehl, der den Funkkontakt über sein Headset mithören konnte, vernahm zunächst ein Rauschen. Danach bat der Lotse um mehr Informationen über die Lage. Huber
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