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Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen
Autoren: Jan Beinßen
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schilderte in erstaunlich gelassenem Ton das aufgetretene Problem und erklärte, dass er nur über Funk, nicht aber über eine Instrumentierung für einen Präzisionsanflug verfüge. Und die Sicht sei inzwischen gleich null.
    Der Lotse bat um Geduld, wies auf die aktuelle Sperrung des Nürnberger Luftraums hin und erkundigte sich nach den Treibstoffreserven.
    »Minimal«, antwortete Huber, nachdem er einen kurzen Blick auf die Tankuhr geworfen hatte. »Dies ist eine Luftnotlage«, wiederholte er seine Meldung.
    Für eine Minute herrschte Schweigen. Ein anderer Fluglotse meldete sich. Er bot an, Huber zur Anflugschwelle 10 oder 28 der Landebahn zu dirigieren und die Piste freizuhalten. Alles weitere würde beim Piloten selbst liegen.
    Huber bestätigte, hielt weiter Höhe und Kurs. Diehl knetete seine vor Angst feuchten Hände. Die Frauen hatten inzwischen mitbekommen, was vor sich ging und beugten sich besorgt nach vorn. Ohne die Männer in ihrer Konzentration zu stören, beobachteten sie, was vor sich ging. Sie waren geschätzte 20 Kilometer von Nürnberg entfernt, als sich der Lotse noch einmal meldete. »Sind Sie mit einem Transponder ausgerüstet?««
    Hubers Blick fiel auf ein unscheinbares schwarzes Kästchen, das unter dem Instrumentenbrett angebracht war. »Positiv«, sagte er und drehte an einem kleinen Stellrad.
    »Dann stellen Sie bitte den Code 7700 ein. Wir lotsen Sie zum Platz.«
    »Positiv«, bestätigte Huber. Er stellte die vierstellige Zahlenfolge ein, die in einem kleinen Sichtfenster erschien.
    Diehl reimte sich aus den Informationsbrocken, die er mitbekam, zusammen, dass es sich um einen Notfallcode handelte, der über den Transponder ausgesendet wurde. Vom Kontrollturm konnte nun die genaue Position des Flugzeugs ermittelt werden. »Wir haben Sie auf dem Schirm«, meldete der Tower. »Fliegen Sie als nächstes eine Linkskurve.« Es folgte eine genaue Kursangabe.
    Das Öl lief immer schneller und bildete einen lückenlosen, schmierig braunen Film. Das vorher sonore Motorgeräusch nahm ein kerniges Dröhnen an. Der Motor lief unrund und fing an zu rütteln.
    Unter präziser Anleitung des Lotsen steuerte Huber den Flughafen Nürnberg an. Diehl gelang es, durch einen noch unverschmierten Teil des Seitenfensters einen Blick nach unten zu werfen. Er sah Äcker, Wiesen und die Landelichter. Der Lotse bestätigte den Sichtkontakt. Er forderte Huber auf, eine 30-Grad-Kurve zu fliegen, die sie direkt vor die 45 Meter breite Landebahn bringen würde. Sie hätten dann eine 2.700 Meter lange Betonpiste vor sich, auf der sie die Maschine zum Stillstand bringen konnten. Die Pilatus benötigte unter normalen Umständen höchstens 500 Meter.
    Die Rollbahn verlief von West nach Ost. Sie sollten nach Westen landen, gegen den herrschenden Wind. Zu Diehls Bestürzung hieß nach Westen landen aber auch, gegen die untergehende Sonne. Die Strahlen trafen auf den Ölfilm und verwandelten die Windschutzscheibe zu einem goldglühenden Blendwerk!
    »Oh, Gott!«, kam es von hinten, wo Gabriele und Sina sich dicht nebeneinander gedrängt hatten und gebannt nach vorn starrten.
    Huber behielt weiter die Ruhe, steuerte die empfohlene Kurve und setzte zur Blindlandung an.
    »Ich kann Sie klar und deutlich sehen«, meldete sich der Lotse zurück. »Fahren Sie die Klappen aus. Gehen Sie auf 150 Fuß. Bleiben Sie auf Kurs. Rechnen Sie mit fünf Knoten Seitenwind von Nordwest.«
    Huber checkte die Anzeigen von Geschwindigkeit, Höhenmesser, Sprit und Öldruck, der mittlerweile auf null gefallen war. Dann betätigte er den Hebel zum Ausfahren der Landeklappen.
    »Sie haben etwa 100 Fuß Höhe«, funkte der Turm. »Die Landebahn ist direkt vor Ihnen. Können Sie den Boden sehen?«
    »Negativ«, antwortete Huber.
    »Doch, doch, wir sehen ihn!«, rief Sina von hinten. »Wir sind schon ganz dicht über der Erde!«
    Das Tempo betrug jetzt noch 60 Knoten. Bei etwa 50, so ahnte Diehl, würden die Flügel sie nicht mehr tragen.
    »Kurs halten. Sehr gut! Geschwindigkeit weiter verringern. Noch langsamer. Nein, wieder schneller! Achten Sie auf den Strömungsabriss!«
    Huber unterlief ein Patzer: Er ließ den Motor aufheulen. Das Flugzeug machte einen Satz nach oben.
    »Jetzt tiefer. Ziehen Sie die Maschine nach unten. Geradeaus. Geradeaus, sage ich!«
    Diehl riss die Augen weit auf, sah Huber erschreckt an. Der Pilot schien seine professionelle Gelassenheit zu verlieren, als die Pilatus ins Schlingern geriet.
    »Sie sind noch zu hoch!«,
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