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Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen
Autoren: Jan Beinßen
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oder zerschossen ist, setze ich mich hinein und bestelle mein Leibgericht, einen Lammbraten. Der heißt auf serbisch jagnjetina und auf kroatisch janjetina. Daran zeigt sich doch, wie marginal der Unterschied zwischen unseren Kulturen ist. Jugoslawien ist ein ineinandergreifendes Gefüge, das man nicht mit Gewalt auseinanderreißen sollte. Hier, bei euch im Westen, wird aber leider viel zu sehr gegen eine Volksgruppe polemisiert, nämlich meine.«
    »Zugegeben: Die Serben genießen zurzeit nicht den besten Ruf«, sagte Gabriele und bemühte sich, nicht an ethnische Säuberungen und Massenerschießungen zu denken, um ja keine Grundsatzdiskussion mit dem Taxifahrer anzufangen. Denn Gabrieles Rolle bestand nicht aus der einer Weltverbesserin, sondern aus der einer Geschäftsfrau. Wenn es sein musste, sogar einer knallharten Geschäftsfrau! »Kommen wir zurück auf den Punkt«, kürzte sie Vladis Schilderungen seiner Exkursionen durchs Kriegsgebiet ab. »Sie sind bei Ihrer letzten Reise auf eine Quelle gestoßen, ist das richtig? Auf eine Quelle, aus der es Gemälde sprudelt, die auf den internationalen Listen der verschollenen Kunstwerke stehen?« Es fiel ihr schwer, ihre Neugierde länger zu zügeln. »Können Sie konkreter werden? Ein Beispiel nennen?«
    Vladi seufzte. »Mir würde es leichter fallen, wenn wir das aufgesetzte Siezen lassen könnten. Bei konspirativen Verhandlungen muss man sich einfach duzen! Das ist das Minimum einer Vertrauensbasis.«
    »Einverstanden«, sagte Gabriele ungeduldig. »Ich bin Gabi.« Sie streckte ihm die Hand entgegen.
    Vladi schlug ein, hielt die Hand fest und drückte Gabriele im gleichen Moment einen Kuss auf die Wange. »Und das ist die zweite vertrauensbildende Maßnahme«, erklärte er lächelnd, als sie ihn überrascht ansah.
    Dann, endlich, rückte er mit der eigentlichen Botschaft heraus: Er berichtete von einer Fahrt in eine schwer kriegsgeschädigte Stadt, die er vor Abschluss des Deals jedoch nicht namentlich nennen wollte. Er beschrieb, wie er durch Zufall auf eine Gruppe serbischer Deserteure, bosnischer Landser und albanischer Grenzgänger gestoßen war, die in den Besitz eines Containers mit brisanter Fracht gelangt waren.
    »Es handelt sich um einen Überseecontainer, der jetzt in einer Scheune steht«, führte Vladi aus. »Er befand sich auf dem Weg an die Küste, von wo aus ihn sein rechtmäßiger Eigentümer außer Landes schaffen lassen wollte – obwohl von rechtmäßig wohl nicht die Rede sein kann, weil dieser Eigentümer selbst ein Verbrecher und der Inhalt samt und sonders zusammengestohlen worden war. Wie dem auch sei: Dieser bunte Haufen von Haudegen konnte die Ladung aufbringen und vorläufig unterstellen. Nun wollen die Männer ihre Beute zu Geld machen. Aber die meisten Bilder, die sich in dem Container stapeln, stehen auf internationalen Kunstfahndungslisten und sind für den Laien damit so gut wie unverkäuflich.« Er strahlte sie aus seinen hellblauen Augen an. »Damit kommst du ins Spiel!«
    Gabriele ließ sich von seinem Lächeln trotz ihrer inneren Begeisterung nicht anstecken. Sie dachte an frühere Jugoslawienurlaube und an die heißen Sommer dort unten. Sehr sachlich fragte sie: »Zunächst das Wichtigste: Ist der Container klimatisiert?«
    Vladi nickte eifrig. »Ja. Sie haben einen Generator angeschlossen, um die Anlage am Laufen zu halten. Und sie sind keine Vandalen. Alles ist noch immer fachgerecht verpackt und verstaut. Ich habe mich selbst davon überzeugt.«
    »Also gut.« Gabriele setzte ihre Lesebrille auf und stützte anschließend ihr Kinn auf ihre gefalteten Hände. »Dann zeig mir doch mal die Liste mit den Namen der Bilder. Vielleicht kann ich das ein oder andere weitervermitteln.«
    »Gern«, sagte Vladi und zog einen sorgsam gefalteten Bogen Papier aus seiner Lederjacke.

2
     
    Eine knappe Stunde später saß Gabriele mit vor Aufregung hochrotem Kopf am Telefon und wartete ungeduldig, dass sich Sina Rubov melden würde. Vladi war mit dem Versprechen gegangen, sich schon bald mit weiteren Details und Kontaktdaten zu seinen Mittelsleuten zu melden. Nun brannte Gabriele darauf, die Neuigkeiten ihrer besten Freundin und Partnerin bei heiklen Geschäften wie diesen mitzuteilen.
    Doch das junge Ding ließ sich Zeit! War sie etwa gar nicht zu Hause, sondern joggen oder bei ihrem dämlichen Aerobickurs, den sie neulich begonnen hatte? Gabriele war nahe dran, den Hörer auf die Gabel zu schmeißen, als das Freizeichen mit einem Klick
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