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Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen
Autoren: Jan Beinßen
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haben soll, weshalb tragen Sie noch den Mundschutz?«
    »Weil ich mich weder mit der Marburg-Krankheit noch mit einem Erkältungsvirus anstecken möchte. Denn im Gegensatz zum höchst selten auftretenden Marburg-Virus fordert die normale Grippe jedes Jahr Hunderttausende Opfer, weltweit.« Er machte eine kurze Pause. »Außerdem fehlt uns die letzte Gewissheit. Wir haben Ihr Blut und Ihre Urinprobe zu einer weiteren, eingehenden Untersuchung in ein Laboratorium gegeben, das für die Untersuchung von Viren der Klasse 4 gerüstet ist.«
    Diehl sah den Doktor mit geweiteten Augen an. »Wie lange wird das dauern?«, erkundigte er sich.
    »Einige Tage werden die Untersuchungen mindestens in Anspruch nehmen, eher eine Woche.«
    Diehl dachte an den Besuch des amerikanischen Vizepräsidenten, der morgen stattfinden sollte. Zu lange, lautete daher sein Urteil. »Geht das nicht schneller?«, wollte er wissen.
    Dr. Mertins zog die Stirn in Falten. »Mediziner lassen sich ungern antreiben, erst recht nicht die Virologen. Die Analyse braucht ihre Zeit.«
    Dann muss ich mit einem Rest Ungewissheit zurechtkommen, entschied Diehl, sprach seine Gedanken aber nicht laut aus.
    Als ihn Dr. Mertins allein gelassen hatte, stellte Diehl ein gedankliches Szenario auf, in dem er sich ausmalte, was ihm blühen würde, wenn die Sache schiefging: Sollte er jemanden wissentlich infizieren, könnte ihm das als Körperverletzung ausgelegt werden. Im schlimmsten Fall sogar als fahrlässige Tötung. Dies war ein Risiko, das er einzugehen bereit war, um ein weitaus größeres Unglück zu verhindern.

31
     
    Der Motor der Maschine dröhnte und brachte die schmale Kabine zum Vibrieren. Nur mit Kopfhörer und Mikrophon war es möglich, sich bei diesem Lärm zu verständigen.
    Diehl saß neben Klaus Huber in der Kanzel, womit Harry der Kamikazeflug erspart blieb. Bei dem Flugzeug handelte es sich um eine fabrikneue Pilatus PC-6, ein einmotoriger Turboprop des Schweizer Herstellers Pilatus Aircraft. Diehls vierschrötiger Pilot hatte ihn vor Antritt der kurzen Reise auf die Vorzüge dieses Flugzeugtyps für ihre Mission hingewiesen: »Ein extrem leistungsstarker Motor, der uns mit mehr als 200 Stundenkilometern auf bis zu 7.500 Meter Höhe bringt. Niederdruckreifen, Scheibenbremssystem und ein Fahrwerk mit großer Schlagabsorption. Durch die hohe Flügel- und Propellerstellung gewinnen wir genügend Bodenfreiheit, um das Schadenrisiko durch Steinschlag beim Landen und Starten auf unbefestigter Piste zu verringern. Ein praktisches Arbeitstier mit toller Schubkraft und phänomenalen Kurzstarteigenschaften«, brachte Huber die Trümpfe seines Sechs-Personen-Fliegers auf den Punkt.
    Weil der Nürnberger Flughafen wegen des Staatsbesuchs keinen ungeplanten Flugverkehr mehr aufnahm, starteten Huber und Diehl vom kleinen, jedoch für ihre Zwecke absolut ausreichenden Flugplatz im nahe gelegenen Herzogenaurach aus.
    »Ich will mich ja nicht beschweren, ehe es überhaupt losgeht«, hob der Pilot mit seiner Reibeisenstimme an, »aber das Flugziel, das mir Ihr Kollege genannt hat, passt mir gar nicht in den Kram.«
    »Keine Sorge«, gab Diehl zurück, »wir bleiben nicht lange.«
    »Grafenwöhr ist Sperrgebiet. Das wissen Sie, oder?«
    »Ja, und glauben Sie mir: Das ist nicht meine einzige Sorge.«
    »Meine aber. Wenn Sie nicht ein Bul … – äh, von der Polizei wären, hätte ich den Job abgelehnt. Ganz klar.«
    »Ich rechne es Ihnen hoch an, dass Sie uns helfen. Dafür haben Sie etwas gut.«
    »Ich habe etwas gut bei der Polente? Wie wäre es, wenn Sie ein oder zwei Punkte in Flensburg von mir löschen lassen?« Huber lachte schallend über seinen eigenen Witz.
     
    Im Tiefflug donnerte die Pilatus über den Waldgürtel, der den amerikanischen Truppenübungsplatz umgab. Die agile Maschine umflog die aufragenden Kronen einiger uralter Laubbäume, um gleich darauf in einer Lichtung noch tiefer zu gehen.
    »Donnerwetter, was für eine Achterbahnfahrt!«, stieß Diehl aus und überprüfte seinen Gurt.
    Innerhalb kürzester Zeit erreichten sie die Koordinaten von Frankenohe. Diehl musste Huber nicht auf die Lage der provisorischen Landepiste hinweisen, denn der erfahrene Pilot erkannte sein Ziel auch so. Nach einem Überflug mit nahezu ungedrosseltem Tempo leitete Huber eine sehr enge Kurve ein, bevor er die Behelfslandebahn ein zweites Mal ansteuerte.
    Diehl registrierte das Rucken, das durch die Maschine fuhr, als das Fahrwerk herausgelassen wurde und arretierte.
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