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Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen
Autoren: Jan Beinßen
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ich beschaffen. Die erste stammt aus der Baubehörde der Stadt Grafenwöhr.« Er zog eine Aktennotiz aus den Unterlagen und reichte sie seinem Chef. »Hier, sehen Sie: Es geht um ein Bauvorhaben aus dem Jahr 1982. Zwar unterliegen bauliche Maßnahmen auf dem Truppenübungsplatz nicht der Aufsicht der örtlichen Baubehörde, doch hier gab es eine Ausnahme: Die Amerikaner planten Sanierungsarbeiten an der Kirche von Frankenohe und waren dabei auf Vorkriegsunterlagen aus dem Gräfenberger Rathaus angewiesen.«
    Diehl horchte auf und murmelte nachdenklich: »Die Kirche.«
    Als Nächstes förderte Harry eine Reihe von Fotos und Dokumenten zutage, die er dem Aktenregister nach zu urteilen im Polizeipräsidium selbst aufgestöbert hatte: Es handelte sich um Bilder und Datenblätter über Bomben.
    »Was hat es damit auf sich?«, wollte Diehl wissen.
    Harry lächelte ihn nach Lob heischend an: »Das Material hat mir ein Kollege des Bombenräumkommandos zur Verfügung gestellt«, erklärte er. »Sie suchten doch nach einer Möglichkeit, Viren effektiv über eine größere Fläche zu verteilen.« Diehl nickte hochinteressiert und ließ den Kommissaranwärter gewähren. »Diese Unterlagen enthalten Daten und Fakten über Streumunition, sogenannte Kassettenbomben. Die Idee dahinter ist die, dass man einen Behälter nimmt, der wiederum mit vielen kleinen weiteren Behältern gefüllt ist. Die Minibehälter lassen sich mit einem beliebigen Inhalt bestücken. Das Ganze wird dann als Gefechtskopf für Raketen verwendet oder als herkömmliche Bombe zum Abwerfen aus einem Flugzeug. Über dem Zielgebiet löst ein Zünder die Explosion einer Sprengstoffkapsel aus, woraufhin die Minibehälter in alle Richtungen auseinanderstreben und ihren Inhalt über eine ausgedehnte Fläche verteilen.«
    »Die Viren ließen sich mit einer solchen Streubombe also mit einem Schlag über einen großen Radius verbreiten? In einem dicht besiedelten Gebiet wäre der Einsatz einer solchen Bombe verheerend.« Tiefe Furchen bildeten sich auf Diehls Stirn.
    Doch Harry war offensichtlich noch nicht fertig: »Der eigentliche Hammer kommt jetzt, Chef«, kündigte er an. »Die Kollegen, die sich die Wohnung und das Büro dieses Ex-Soldaten Spencer vorgeknöpft haben, sind in seinen Büchern auf etliche Militaria gestoßen.«
    »Das wundert mich nicht«, meinte Diehl, »der Kerl hat mit allem gehandelt, was ihm in die Finger kam.«
    »Ja«, sagte Harry triumphierend. »Aber was Sie ganz bestimmt wundern wird, ist die Tatsache, dass Spencer sogar ausgediente Waffen und Munition unter die Leute brachte. Darunter amerikanische Blu-3-Bomblets aus der Zeit des Vietnamkriegs, auch bekannt als Ananasbomben. Die sind nicht nur extrem gefährlich, sondern auch klein und handlich. Dieses Teufelszeug lässt sich ohne Probleme in einer größeren Tasche unterbringen.«
    Diehl betrachtete das Foto einer solchen Bombe, die über einen ovalen Korpus verfügte und nach dem Auslösen nach oben abstehende Blechlamellen vorwies, die tatsächlich an die Blätter einer frischen Ananas erinnerten. »In einer Tasche, sagten Sie?«, vergewisserte er sich gedankenverloren und dachte an Reisetaschen, Koffer und an Diplomatengepäck, das am Flughafen nicht durchsucht werden durfte. »Und Huber? Haben Sie den alten Bruchpiloten erreichen können?«
    Als wäre es nichts, konnte Harry auch hier einen Erfolg vermelden: »Er steht uns zur Verfügung. Ich habe ihn gebucht – auf Ihre Kostenstelle.«
    »Das geht schon in Ordnung«, meinte Diehl und würdigte die unerwartete Leistung seines Lehrlings mit einem anerkennenden Blick.
    Allerdings würde die größte Herausforderung dem jungen Mann noch bevorstehen: Denn Harry und Huber müssten die Rettungsaktion ohne Diehl durchführen, sollte er selbst nicht in absehbarer Zeit geheilt sein.
     
    Dr. Mertins kam am frühen Nachmittag zur Visite.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragte er.
    Diehl hatte in der Mittagszeit dank einer weiteren Tablette ein wenig schlafen können. Nun fühlte er sich besser als am Vormittag. Bäume ausreißen konnte er aber ganz sicher nicht. »Tja, in etwa so, wie man sich mit einer Grippe fühlt.«
    Dr. Mertins trat näher an sein Bett heran. »Grippe? Sagen wir besser: Grippaler Infekt. Viel mehr ist es nämlich nicht, was ich bei Ihnen diagnostizieren konnte.«
    Diehls Herz machte einen Hüpfer. »Was?« Er sah den Arzt voller neuer Hoffnung an. Doch die Ernüchterung folgte auf den Fuß: »Wenn ich nur eine leichte Erkältung
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