Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
Vom Netzwerk:
wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Oh, dann kommen Sie heute nicht mehr zum Dienst?«
    »Nein, mein Lieber, aber freuen Sie sich nicht zu früh. Anweisungen kann ich nämlich auch vom Krankenbett aus erteilen. Ich möchte, dass Sie einige Dinge für mich erledigen.«
    Harrys Reaktion fiel wenig begeistert aus, als ihm Diehl eine Liste von Aufgaben diktierte, die er so schnell wie möglich zu erledigen hätte. Viele unangenehme Pflichten befanden sich darunter, unter anderem die, dass Harry sich voll und ganz in die Vorbereitungen des Staatsbesuchs stürzen sollte und gleichzeitig die aktuellen Fälle nicht aus den Augen verlieren dürfe. Diehl verlangte von ihm einen Rund-um-die-Uhr-Einsatz und gab ihm nebenbei noch zig Kleinigkeiten mit auf den Weg, die er zu übernehmen habe. Doch Harry schrieb alles brav auf, was von ihm verlangt wurde und stellte keine dummen Fragen. Nur eines wollte ihm nicht in Kopf: »Warum soll ich denn Kontakt zu einem Piloten aufnehmen?«
    »Fragen Sie nicht, tun Sie es einfach!«, befahl Diehl.
    Harry blieb beharrlich: »Sorry, Chef, aber ich muss ein wenig mehr über die Hintergründe wissen, wenn ich den Mann anrufe. Was soll ich ihm denn sagen?«
    »Okay«, brummte Diehl. »Der Pilot Klaus Huber trat zuletzt im Goldschmuggelfall vom vergangenen Jahr in Erscheinung. Sie erinnern sich? Huber wurde von Gabriele Doberstein und Sina Rubov angeheuert, um ein anderes Flugzeug zu verfolgen, das einen der Hauptverdächtigen dieser Affäre an Bord hatte. Ich habe Huber im späteren Verlauf der Ermittlungen verhört und ihn als ungewöhnlich couragierten, wenn nicht sogar draufgängerischen Mann in Erinnerung behalten.«
    »Ja – und?«
    »Sie sollen Kontakt zu ihm aufnehmen, damit er sich für uns bereithält.«
    »Aber was sollen wir denn mit einem Privatflieger? Wir können jederzeit den Polizeihubschrauber anfordern, wenn wir Unterstützung aus der Luft benötigen.«
    »Überlassen Sie das mir, Harry. Stöbern Sie Huber auf und sagen Sie ihm, dass er sich für uns zur Verfügung halten soll. Verstanden?«
    »Verstanden«, kam es zögerlich zurück.
    Als Diehl aufgelegt hatte, fiel ihm die Stille auf, die in seinem Krankenzimmer herrschte. Die Tür zum Flur schloss so dicht, dass kaum ein Geräusch aus dem Gang bis zu ihm hinein drang. Da die Fenster geschlossen waren, gelangte auch kein anderes Geräusch wie Vogelgezwitscher oder das Stimmengewirr von Passanten an sein Ohr. Nicht einmal ein Piepen oder Surren medizinischer Apparate gab es, denn Diehl war an keiner dieser Apparaturen angeschlossen.
    Die drückende Stille verstärkte das Gefühl der Isolation, das Diehl mehr und mehr bewusst wurde und in ihm den Eindruck des Ausgeliefertseins erweckte. Mehr oder weniger hilflos musste er in der Abgeschiedenheit des Krankenzimmers der Dinge harren, die da kommen mochten. Er musste tatenlos erdulden, wie der tödliche Virus seinen Körper in Besitz nahm und ihn nach und nach auszehrte.
    Dass der blasse Dr. Mertins ihm helfen konnte, glaubte er nicht. Diehl war für ihn nichts weiter als ein Anschauungsobjekt, an dem er den Verlauf einer seltenen Krankheit studieren konnte. Die bislang recht geringen Schutzvorkehrungen, die der Arzt gegen eine Selbstansteckung traf – bloß Mundschutz und Handschuhe – sollten Diehl über den Ernst der Lage hinwegtäuschen. Ja, dachte er verbittert, sobald die Infektion weiter vorangeschritten war und die Viren damit begannen, seinen Körper zu verlassen, würde Mertins hier nur noch im Vollschutzanzug auftauchen. Wenn überhaupt!
    Es war zum Haareraufen! Denn während Diehl ans Bett gefesselt blieb, schwebte Gabriele weiterhin in Lebensgefahr! Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihre Rettung seinem Kommissaranwärter zu überlassen: Harry – ausgerechnet dieses Weichei Harry! Diehl mochte gar nicht daran denken, denn dann wurde ihm sofort bewusst, wie viele wichtige Jobs Harry in den letzten Monaten bereits vergeigt hatte. Er war und blieb eine unzulängliche Hilfskraft und würde niemals das Gespür entwickeln, das man benötigte, um ein guter Kriminaler zu sein. Doch der Öffentliche Dienst förderte durch seine verkrusteten Strukturen und die geringe Bedeutung der Leistungsstärke die Integration solcher Nullnummern, die ihm im Endeffekt mehr Arbeit machten als ihm abzunehmen.
    Diehl seufzte und griff zu einem Pillendöschen, das neben ihm auf dem Nachttischschränkchen stand. Es enthielt ein Schlafmittel. Eine Krankenschwester hatte es ihm

Weitere Kostenlose Bücher