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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel
Autoren: Verena Wyss
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Legalität schöne Honorare. Selbstverständlich nur am Rand der Legalität, denn diesen Rand würde ich nie verletzen. Und Italiener müssten sie sein. Das wirklich kriminelle Milieu ist brutal, Mafiaseilschaften nach Nationalitäten, tödlich. Obwohl sich Dorothy, meine Mam, früher, als sie noch bei uns war, immer über Knuts Job eher belustigte, habe ich doch ganz früh schon einiges mitgekriegt. Auch habe ich geradezu überdeutlich die mahnende Stimme unseres Strafrechtsprofessors im Ohr, aus der Illegalität führt kein Weg zurück.
    Dass Knut richtig besorgt ist, gefällt mir am allerwenigsten. Als er weg ist, hole ich meinen geladenen Revolver aus der Schublade in der Kanzlei. Von jetzt an werde ich ihn in der Tasche bei mir tragen. Ein geladener Revolver in einer Schublade ist ebenso für die Hasen wie ein ungeladener Revolver in einer Tasche. In diesem kleinen Punkt muss ein denkender Mensch gegen das Waffengesetz verstoßen. Nicht umsonst bin ich Knuts Tochter.
    Später am Tag erst wird mir mulmig. Da sind Eindringlinge im Keller gewesen, wie weit im Haus bleibt offen. Sie können jederzeit zurückkommen, die Treppe hoch, ich habe sie gesehen, durchtrainiert, schnell; riesig erscheinen sie mir in der Erinnerung. Sie können vor der Wohnungstür stehen, können ebenso gut einen Weg finden, in die Wohnung zu gelangen, wenn sie denn wollten. Das Schlimmste war, dass sie zu dritt waren. Das macht es so professionell. Warum mein Telefonanschluss?
    So ein Einbruch bringt das ganze Umfeld ins Schwingen.
    Erna Kockels reagiert, wie Frauen eben meinen reagieren zu müssen, allmählich kokett hysterisch den Kopf verlierend, ganz das Mädchen, das zu beschützen ist. Natürlich fürchtet sie sich. Ich mahne mich zur Besonnenheit, zu viele Krimis am Fernsehen verschieben das Realitätsempfinden: Übersteigerungen, Straffungen, Vereinfachungen. Da lasse ich mich keinesfalls anstecken.
    Lukas, mein Praktikant mit KV-Abschluss, streicht sich andauernd mit der einen Hand über seinen kurz geschorenen Kopf, kann vor Aufregung nicht mehr ruhig sitzen, findet den Einbruch mit sich überschlagender Stimme ›affengeil‹; in einem der Fernsehkrimis hat er gesehen, wie das gemacht wird, doch es waren jene vom Staat, die Guten, die die Wanzen anbrachten, das muss man sich doch auch überlegen, das tun die doch andauernd. Ich widerspreche, es gibt dafür ein paar gesetzliche Grenzen. In meiner Kanzlei gibt es dazu nicht den geringsten Hauch eines Hauchs eines Grundes, also tun sie es nicht. – Mich nervt sein Vokabular. Als Mitarbeiter einer Anwaltskanzlei soll er sich etwas zurückhaltend ausdrücken. Er begeistert sich für hochtechnische Sicherheitsanlagen mit Wärmesensoren, er nervt. Es kann doch nicht meine Aufgabe sein, meinem Praktikanten Kinderstube beizubringen, das ist nicht nur eine Frage der zur Verfügung stehenden Zeit.
    Noël dagegen scheint den Einbruch mit einer Geschichte zu verwechseln, es hat mit ihm nichts zu tun, interessiert ihn offensichtlich technisch – Wie funktioniert eine Abhöranlage? –, der Enkel seines Opas. Sollte ich ihn nun warnen, ihm Angst einjagen, ihn noch mehr verunsichern? Andererseits habe ich mir doch vorgenommen, in seiner Erziehung nichts zu tabuisieren. So weit zu akademischen Vorsätzen.
    Uschi, Knuts Freundin, schaltet sich telefonisch ein, wiegelt ab mit heller Stimme, was mich insgeheim ärgert. Sie führt die Wirtschaft ›Zum Halbmond‹ in Feldisberg, die früher meiner Tante Lisa gehört hatte. Nach ihrer Meinung muss ein Irrtum vorliegen. Ich solle es mir doch überlegen, jemand solle diesen Aufwand meinetwegen tun? Bei mir sei doch nichts Wichtiges zu finden. Ist das nun die Einschätzung der Lage nach gesundem Menschenverstand oder hängt es mit dem geringen Stellenwert zusammen, den Uschi meiner Arbeit gibt? Erst neulich bemerkte sie spitz, fünfunddreißig und noch nicht wieder auf eigenen Füßen. Knut hätte ihr nicht erzählen müssen, dass immer noch Benno die Miete für die Kanzlei und Dorothy jene für unsere Wohnung bezahlt. Bei Benno ist es Teil der Scheidungsvereinbarung, und Dorothy hätschelt mich eben. Auf diese Weise kann ich mir ein kleines finanzielles Polster schaffen. Uschi zieht nicht einmal in Erwägung, dass ich immerhin ein Berufsgeheimnis habe, dass sogar ich kleine Anwältin Dinge erfahre, die man früher nicht einmal mit dem Beichtvater besprochen hat, nicht nur, weil die Gesetze so komplex sind.
    Alja, die ich anrufe, reagiert aufmerksam und
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