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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel
Autoren: Verena Wyss
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ziehe den Kopf zwischen die Schultern: »Was, wenn das nicht möglich ist?«
    »Wir werden Ihr Kind als unseren Sohn aufziehen, er ist ein gesunder, kluger Junge und er ist der Enkel meiner Schwester. Seine Mutter ist bei einem tragischen Unglücksfall ums Leben gekommen.«
    Wie ich gedacht habe, ohne mich. Tot, sobald sie haben, was sie wollen. Habe ich eine Wahl? Ich rede langsam und sehr leise, höre meine Stimme, mein Kopf arbeitet auf Hochtouren, er soll mich nicht am Reden stören, irgendwo muss es den Riss geben in diesem Plan.
    »Ich werde alles tun, was Sie von mir wollen. Tun Sie nur meinem Sohn nichts zuleide. Jeder Mensch hat seinen schwachen Punkt, bei dem er nachgibt.«
    »Sehen Sie, wir konnten damit rechnen, dass Sie intelligent sind.«
    Ich muss Zeit herausschlagen, rede: »Möglicherweise geht es nicht so schnell. Wir wissen nur, dass Meret die Daten an Ostern irgendwo im Areal der ›Mey-Mühle‹ hinterlegt haben muss. Da aber die Hausdurchsuchung neben der CD-ROM nichts gebracht hat, muss das Versteck im Garten sein. Wir haben eine Zahlenreihe gefunden, die den Schlüssel zum Garten liefert.« Mit dieser Information kann sie in der verbleibenden Zeit nicht mehr viel anfangen. »Wir sind noch am Vermessen des Schlüssels und haben den Platz bisher nicht gefunden. Es gab auch keine Notwendigkeit, diesen Ort wirklich zu finden.« Das ist jetzt eben gelogen, doch inzwischen weiß ich, wie es weitergeht.
    Sie unterbricht mich, merkt sie, dass ich rede um des Redens willen? »Jetzt werden wir ihn finden. Sie haben keine Wahl, darum werden Sie sich beeilen. Ich gebe Ihnen nicht mehr als eine Stunde für die Suche. Übrigens erwartet mein Mann pünktlich zu jeder Stunde meinen Anruf. Wenn der Anruf ausbleibt, wird er mit dem Jungen eine kleine Reise machen.«
    Ist sie ein Naturtalent oder handelt sie nach Drehbuch? Naturtalent wäre mir lieber. Wenn sie mir eine Stunde gibt, wie viele Anrufe will sie denn tun? Was ist für die weiteren Stunden beabsichtigt, wenn sie sich stündlich melden will? Die CD-ROM kopieren? Abliefern? Mich beseitigen – das täte sie vor dem Kopieren und vor dem Abliefern, also sobald sie sie hat.
    »Denken Sie nicht, mich hereinlegen zu können.« Kann sie Gedanken lesen? »Sie würden es bereuen.«
    Fast schreie ich: ›Tun Sie ihm nichts!‹ Fast schreie ich: ›Nötigung!‹ Doch ich bin stark, ich muss denken. Doch in Gedanken zähle ich auf: Entführung, Freiheitsberaubung, Morddrohung, Gefährdung von Leib und Leben. Es ist nicht die Absicht, sondern die volle Ausführung, das allein ergibt schon Zuchthaus. Mit den zwei vorangehenden Morden kommt es auf einen weiteren gar nicht mehr an, auf jeden Fall lebenslänglich.
    Ich fahre auf der Schnellstraße, endlich liegen die Vororte hinter uns, biege in die Ausfahrt in Richtung der ›Höhen‹. Doch jetzt, eine Signalisation, Geschwindigkeit auf ›30‹, Verengung der Fahrbahn, vor uns langsam rollende Autos. Da steht ein Polizist, macht das Handzeichen zur Verlangsamung der Fahrt – bloß keine Kontrolle, bloß keine Fahndung.
    Im Augenwinkel nehme ich die Bewegung wahr, Frau Platen-Alts Hand gleitet erneut in die Handtasche, die auf ihren Knien liegt: »Es sieht nach Polizeikontrolle aus, Sie machen keine Dummheiten, geben kein Zeichen. Wenn etwas schiefläuft, ist Ihr Junge tot.«
    Meine Lippen fühlen sich papieren an, zwischen zusammengepressten Lippen sage ich: »Das haben Sie schon gesagt.« Ich kenne den Polizisten vom Sehen, Urs Huber aus Knuts Abteilung, er trainiert regelmäßig im Fitnesskeller. Wenn sie gefährlich wird, kriegt sie einen Handkantenschlag an den Hals. Meine Hände am Steuerrad sind nass. Ich fühle mich leer, bin eben doch keine Heldin mit eisernen Nerven, so ein Handkantenschlag kann töten.
    Urs Huber winkt uns durch, gibt Zeichen, etwas schneller zu fahren. Hat er denn keine Augen im Kopf, sieht er denn nicht, dass ich es bin, er muss mich doch erkennen, kennt den ›Jeep‹, meine Nummer, jeder Polizist hat doch eine besondere Begabung für Autonummern. Seine Hand wedelt locker wie ein Rotorflügel, schneller fahren. Starr sehe ich geradeaus, das muss ihm doch auffallen, jetzt sind wir durch. Hat nicht sein Blick mein Gesicht gestreift, hat er nicht bewusst harmlos den Blick über meine Beifahrerin gleiten lassen, hat er nicht genau gesehen, wer in diesem Auto sitzt? Ich könnte zittern. Am Straßenrand steht das Polizeifahrzeug, sitzt darin ein zweiter Polizist oder sitzt da keiner?
    Frau
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