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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel
Autoren: Verena Wyss
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dass es diese Menschen gewesen sind, die sie dazu gebracht haben, so sicher habe ich einen Zorn auf sie, Schufte. Jetzt ist die Gelegenheit, diese Schufte zu kriegen. Sie haben zwar einen einfachen guten Plan, indem sie meinen Jungen haben. Hart und schnell, das bin ich, sie werden keine Gelegenheit haben, ihm etwas zu tun. Ich bin nicht allein, Claas wird handeln. Noch etwas weiß ich genau, diese Frau ist gefährlich, in jeder Faser, sie darf nicht merken, dass ich nicht daran denke, ihr irgendeine CD-ROM zu geben.
    Wir steigen ein. Sie hat sich eine große Sonnenbrille aufgesetzt. Die dunkle, gelockte Perücke wirkt zwar theatralisch, ist jedoch zweckmäßig. Leute wie diese Platen spielen nicht Theater, ihr Theater ist live.
    Ich sitze am Steuer. Der ›Jeep‹ stand in der Sonne, mein Sitz und das Steuerrad sind sehr heiß. Ich starte und schalte die Lüftung ein, sie wird ihr direkt ins Gesicht blasen. Sie sagt nichts, lässt sich durch nichts ablenken. Ich zähle zusammen, sie mögen clever sein, sie mögen den dreckigsten Plan entwickelt haben, es ist ihnen jedoch ein kapitaler Fehler unterlaufen, ganz typisch für Leute wie sie: Sie haben meine familiären Umgangsformen nicht berücksichtigt, dachten nicht an eine Freundschaft mit dem ›Untermieter von oben‹. Sie rechnen schon gar nicht mit einem Schriftsteller, der tagelang reglos in seinem Zimmer sitzen kann und der dann doch nicht oben ist, wo er hingehört. Ich steuere aus dem Parkplatz. In ihrem Plan ist für mich keine Chance, sie zeigen mir beide offen ihr Gesicht. Da gibt es kein Zurück. Und wieder mache ich mir Mut, sie werden scheitern, sie müssen. Ich nehme mein Schwert, das muss Gedankenkraft sein, damit rechnen sie nicht. Ich bin Knuts Tochter und Charlotte Platens Enkelin.
    Jede Ampel steht auf Rot, ich fasse mich in Geduld. Noch immer trägt sie ihre weißen Golfhandschuhe, will also auch im ›Jeep‹ keine Fingerabdrücke hinterlassen. Die geöffnete Tasche hält sie auf den Knien, darin steckt die Pistole – eine unserer vertrauenswürdigen, netten Politikerinnen. Zumindest habe ich ihr nie meine Stimme gegeben.
    In Gedanken bin ich bei Noël, er soll ruhig sein, er weiß, dass ich komme. Ich steuere durch den zähflüssigen Verkehr und bin froh, dass es so stockend vorwärtsgeht. Jede Minute, die es länger dauert, ist eine Minute für Claas. Er kann handeln. Er benutzt mein Telefon nicht, da es sicher überwacht wird. Die Wohnung ist verschlossen. Claas steigt von der Terrasse über sein schönes Pflanzengitter auf den oberen durchlaufenden Fries und klettert um die Ecke seitwärts zu seinem Küchenfenster hinein, es steht offen. Ich weiß genau, dass er es tut. Per Handy ruft er Sven an, oder Knut, oder Alja. Er mobilisiert Hilfe, warnt. Ich kann darauf zählen, nicht allein zu sein, wohin auch immer, in was auch immer ich gerate.
    Eine Frau, deren Kind bedroht ist, auf die eine Pistole gerichtet ist, die sich abzählen kann, nicht mehr sehr lang zu leben, die zittert, bettelt, ist hilflos, die schaut nicht mit erhobenem Kinn geradeaus. Ich atme aus und lasse die Schultern etwas hängen.
    Wir fahren im Schritttempo im Abendverkehr. Chantal Platen-Alts Stimme schreckt mich auf: »Interessiert es Sie, wie wir überhaupt wissen können, dass es diese andere CD-ROM gibt?« Sie wartet meine Antwort gar nicht ab. Ihre Stimme klingt wieder so triumphierend, unverdeckt höhnisch: »Sie haben an einem Mittag in Ihrer Kanzlei die eine CD-ROM angeschaut, die Frau Berken aus der Mühle mitgebracht hat. Wir mussten diese CD-ROM suchen lassen. Wir hofften, damit sei die Sache erledigt. Doch es war bloß die Kopie jener Fehldatei, die meine Schwester in geistiger Umnachtung hergestellt hat. Dass Sie die richtige Datei besitzen, haben wir vermutet. Meret war zu sehr Biologin, um dieses Kronjuwel der Forschung zu vernichten. Aus Ihren und aus den Aktivitäten Ihres Umfelds konnten wir schließen, dass Sie sie gefunden haben. Frau Berken hat in Arles einen unserer Topleute besucht, er stellte Vermutungen in dieser Richtung an. Es war jedoch meine Mutter, die es mir indirekt bestätigte. Sie meinte, ich hätte in Ihnen meinen Meister gefunden. Das ist ihr Alzheimer, sie unterschätzt mich noch immer. Wir haben Sie in der Hand. Für uns und für die Firma ist es eine Frage der Existenz, diese Daten noch heute zu erhalten, heute heißt jetzt. Unser Countdown endet morgen Mittag um zwölf Uhr, es ist besser, einen kleinen Vorsprung zu haben.«
    Ich
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