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Hexenbrand

Hexenbrand

Titel: Hexenbrand
Autoren: Jason Dark (Helmut Rellergert)
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Grace Russell hatte ihn zwar gesehen, aber nur für einen sehr kurzen Moment. Und da war ihr der Blick aufgefallen. Zudem war sie der Meinung gewesen, dass er nur ihr gegolten hatte. Dieser Blick hatte etwas Besonderes an sich. Das jedenfalls war der vierzigjährigen Frau durch den Kopf geschossen.
    Neben ihr arbeitete eine Bekannte aus dem Nachbarhaus. Auf ihrer Stirn perlte Schweiß und sie schien sich nach einer Pause zu sehnen, aber sie machte weiter.
    Und Grace Russell?
    Noch hatte sie die Hoffnung nicht aufgegeben, eine kurze Pause einlegen zu können, aber es klappte nicht. Dieser Abend war schlimm, und so sehnte Grace die Schließung des Stands herbei.
    Bis zwanzig Uhr würde der Trubel gehen. Dann würden sie endlich nach Hause gehen können. Alle Mitarbeiterinnen hatten müde Knochen und keine würde mehr Lust haben, noch auf einen Drink irgendwohin zu gehen.
    Dann war es vorbei.
    Zwanzig Uhr!
    Grace hätte am liebsten gejubelt. Sie tat es nicht, aber sie war froh, auch wenn sie jetzt noch mithelfen musste, Gläser zu spülen.
    Vom Stand zogen sich die letzten Kunden zurück. Der Blick wurde wieder frei. Während zwei Kolleginnen neben Grace einige gymnastische Übungen vollführten, blieb sie aufrecht stehen und drückte den Rücken durch. Sie hielt Ausschau nach dem Starrer. Dabei klopfte ihr Herz schneller, aber es beruhigte sich auch wieder, denn sie sah den Mann nicht mehr.
    Sie hätte aufatmen können, doch das war nicht der Fall. In den ersten Sekunden schon, dann dachte sie über den Vorgang nach und fragte sich, warum sie die ganze Zeit über so angeglotzt worden war.
    Eine Antwort wusste sie nicht. Noch einen Rundblick gönnte sie sich, bevor sie sich ihrer Arbeit widmete und die zuletzt gespülten Gläser abtrocknete, um sie dann in ein Regal zu stellen.
    Die Kollegin neben ihr war jünger, aber auch ziemlich fertig. Das gab sie offen zu.
    »Wenn ich das Geld nicht so nötig hätte, ich würde nicht hier stehen, das kannst du mir glauben.«
    »Klar. Mir geht es ebenso.«
    »Was machst du denn sonst?«
    Grace hob die Schultern. »Mal dies, mal das. Ich habe eigentlich keinen festen Job. Wenn man mich braucht, bin ich da. Das gefällt mir besser als ein fester Job.«
    »Auch nicht schlecht.« Die Kollegin nickte. »Aber kommst du auch rum?«
    Grace verzog die Lippen. »Mal ja, mal nein. Deshalb muss ich immer etwas Geld liegen haben, um schlechte Zeiten zu überbrücken.«
    »Das ist schon wahr«, sagte die Kollegin versonnen. »Ich habe zum Glück einen Freund, mit dem ich zusammenlebe. Wir sind zwar keine Millionäre, aber es reicht, was für mich das Wichtigste ist. Du hast keinen Partner?«
    »Nein, auch keine Partnerin. Ich schlag mich seit gut drei Jahren allein durch.«
    »Auch nicht das Wahre – oder?«
    »Stimmt. Aber was will man machen?«
    »Ja, da hast du recht.«
    Sie machten weiter. Grace Russell hatte endlich Zeit, sich wieder umzuschauen.
    Die Nervosität hielt sie wieder im Griff, was gar nicht nötig war, denn sie sah den Starrer nicht. So recht beschreiben konnte sie ihn nicht, aber sie hatte das unbewegliche Gesicht nicht vergessen. Diese Züge, die wie einbetoniert wirkten, und wenn sie sich nicht täuschte, war sein Haar blond gewesen.
    Noch zwei letzte Gäste standen an einem der Stehtische nahe des Stands. Sie tranken keinen Glühwein, sondern Bier aus Flaschen und waren nicht mehr nüchtern.
    Eine knappe Viertelstunde später konnte sie endlich Feierabend machen. Sie band die blaue Schürze mit dem roten Rentier ab, hängte sie weg, streifte ihren Wollmantel über, richtete ihr braunes Haar mit den grauen Strähnen und machte sich auf den Weg.
    Noch einmal schaute sie sich um. Kein Starrer mehr zu sehen. Das hätte sie eigentlich beruhigen müssen, was aber nicht der Fall war. Sie war nicht beruhigt. Sie spürte das innere Zittern und würde erst aufatmen, wenn sie ihr Zuhause erreicht hatte.
    Das würde dauern. Sie musste bis zur U-Bahn-Haltestelle gehen und dann einen kleinen Park durchqueren, in dem es nur zwei Laternen gab.
    Den Weg ging sie immer allein. Daran, dass sie dort nur wenigen Menschen begegnete, hatte sie sich gewöhnt, und ihr war auch die ganze Zeit über nie etwas geschehen. An diesem Abend jedoch hatte sie ein komisches Gefühl. Das mochte an dem Starrer liegen, den sie einfach nicht vergessen konnte.
    Ein paar Meter ging sie noch mit einer Kollegin, dann verabschiedete sich diese auch, und Grace Russel ging allein weiter. Sie wollte den Weg so schnell
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