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In alter Freundschaft - Kriminalroman

In alter Freundschaft - Kriminalroman

Titel: In alter Freundschaft - Kriminalroman
Autoren: Grafit
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I
     
     
    Ich trank Kaffee, rauchte Zigarillos und beobachtete eine Gruppe von Kids, die am Strand lag, eine Weinflasche kreisen ließ, herumgrölte und sich zwischendurch abknutschte.
    Es war einer jener Aufträge, bei denen man nicht brillieren kann. Es galt, die verlorene Tochter zurückzuholen, soweit dies ohne Gewaltanwendung möglich war. Mami und Papi verstanden nicht, warum die missratene Tochter lieber am holländischen Strand lag, als im miefigen Vorstadtreihenhaus der migränigen Mutter bei der Hausarbeit zur Hand zu gehen. Ich verstand die Tochter, denn ich hatte Mami und Papi kennengelernt. Aber Papi zahlte mir die Spesen für diesen Ausflug nach Zandvoort, also würde ich mein Glück bei der missratenen Tochter versuchen. Allerdings erst nach Sonnenuntergang.
    Ich bestellte eine warme Schokomelk und Appelgeback und las weiter in dem Krimi, den ich vorsorglich eingesteckt hatte. Eigentlich liebe ich Fälle, bei denen man dazu kommt, ein gutes Buch zu lesen.
    Zwei Stunden später klappte ich das Buch zu. Die inzwischen völlig alkoholisierten Deutschen am Nachbartisch frozzelten zum wiederholten Mal über mein schwarzes Hemd, das ich anbehalten hatte, um meine empfindliche Haut nicht den grellen Sonnenstrahlen auszusetzen.
    Die Kids lagen unverändert am Strand. Jetzt stand Tanja auf und stakste in meine Richtung. Offensichtlich wollte sie das Klo des Strandcafés benutzen. Eine günstige Gelegenheit, musste ich mir selber zugestehen, obwohl die Sonne noch eine Handbreit vom Horizont entfernt war.
    Ich wartete, bis sie ihr Geschäft erledigt hatte, und stellte mich in den Weg. »Hallo, Tanja!«
    Sie kniff die Augen zusammen und überlegte angestrengt.
    »Wer sind Sie?«, artikulierte sie etwas mühsam.
    »Ich heiße Georg Wilsberg und bin Privatdetektiv. Deine Eltern haben mich beauftragt, dich zu suchen.«
    »Scheißoldies«, sagte sie.
    Ich nickte verständnisvoll.
    »Scheißbulle«, sagte sie.
    Diesmal nickte ich nicht. »Mir persönlich ist es egal, ob du mitkommst oder nicht. Ich mache dich aber darauf aufmerksam, dass deine Eltern dir und deinen Freunden die Polizei auf den Hals hetzen werden, wenn du mich nicht freiwillig begleitest.«
    »Arschloch«, sagte sie.
    »Ist das dein letztes Wort? Denk daran, dass deine Freunde keinen Stress haben werden, wenn du jetzt sofort mitkommst.«
    Sie machte den Mund auf und schloss ihn wieder. Dann versuchte sie, einen klaren Gedanken zu fassen. Nach zwei Minuten leichten Hin- und Herschwankens und Denkfalten auf der Stirn war sie soweit. »Okay. Ich komme mit.«
    Ich bezahlte rasch und packte sie in mein Auto, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Sie rülpste laut und eine giftige Rotweinwolke nahm mir fast den Atem. Kurz hinter Heemstede war sie schon eingeschlafen.
    Zwei Kilometer vor Amsterdam wachte sie wieder auf.
    »He, Bulle, wo sind wir hier?«
    »In Amsterdam.«
    »Eh, das ist geil. Lass uns reinfahren, ja?«
    »Eigentlich wollte ich direkt nach Münster …«
    »Nur ganz kurz, bitte, bitte!« Sie setzte ein Lächeln auf, bei dem jeder Mann über zwanzig sofort väterliche Gefühle bekommen hätte, und plinkerte mich mit teddybärbraunen Augen an. »Ich will auch ganz brav sein, ehrlich.«
    Wegen ihrer Dracheneltern willigte ich ein.
    Sie strahlte: »Mann, Bulle, du bist ja gar nicht so blöd, wie du aussiehst.«
     
    Ich parkte am Rokin und wir schlenderten zum Dam hinauf, wo die Haschtouristen ihre Krümel teilten.
    »Hast du heute schon was gegessen?«, erkundigte ich mich.
    »Zwei Mars.«
    »Was hältst du von einem chinesischen Essen?«
    »Wär echt geil.«
    Am Rande des Rotlichtbezirks gibt es ein paar chinesisch-indonesische Restaurants. Ich wählte eins mit Blick auf eine Gracht und bestellte eine indonesische Reistafel für zwei Personen, dazu eine Kanne Jasmintee für mich und ein großes Bier für Tanja. Nach ihrem Hunger zu schließen, ernährte sie sich schon seit Längerem von Rotwein und Mars.
    »Wieso bist du Bulle geworden? Konntest du nichts Anständiges lernen?«, fragte sie, während sie an einem Satéstäbchen knabberte.
    »Erstens bin ich nicht Bulle, sondern Privatdetektiv«, gab ich zurück.
    »Bulle, Privatdetektiv, wo ist da der Unterschied?«
    »Ein Bulle arbeitet für den Staat, ich arbeite für mich selbst. Zweitens habe ich tatsächlich was Anständiges gelernt, ich war nämlich mal Rechtsanwalt.«
    »Ist das nicht ein Abstieg?«
    Ich überlegte, ob ich ihr die ganze Wahrheit meiner beruflichen Rückschläge
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