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Todesflirt

Todesflirt

Titel: Todesflirt
Autoren: Bettina Broemme
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gibt’s ja immer Randale von den Linken und Thor hatte schon Wochen davor verkündet, wie geil es wäre, die mal so richtig aufzumischen. Erst hat er für den Tag unter irgendeinem fadenscheinigen Grund einen Marsch angemeldet, der tatsächlich genehmigt wurde. Mitten durch die Veddel sollte der gehen. Robin ging am Abend vorher zu ihm und sagte, er und Malte würden nicht mitgehen. Thor ist total ausgeflippt, hat ihn angeschrien, er sei ein Verräter, er solle ja nicht glauben, dass er ihn einfach gehen lassen würde. Und er solle Malte in Ruhe lassen. Er sei sich sicher, Malte stehe stramm und treu zu seinen Pflichten als Deutscher. Malte hat sich nicht getraut, was zu sagen. Er hat sich nicht auf Robins Seite gestellt. Thor hatte in den Wochen davor immer wieder schon mal Probleme gehabt, auch mit anderen aus der WG. Er war denen zu autoritär, sie hatten das Gefühl, der ›Spaß‹ käme zu kurz. Zu wenig saufen und schlägern, zu viel marschieren und Pamphlete verteilen. Dieser Abend war sozusagen eine Kraftprobe zwischen Thor und Robin. Thor versprach eine zünftige Prügelei mit linken Autonomen am nächsten Tag und auch, dass sie hinterher so richtig die Sau rauslassen würden. Die Jungs beruhigten sich wieder, alle – außer Robin.
    Ich hatte übrigens Robin etwa zwei Monate vorher kennengelernt. Totaler Zufall. Ich wusste, wo Malte abgeblieben war. Ich habe ihn so lange mit SMS bombardiert, bis er irgendwann geantwortet hat. Gelegentlich haben wir uns dann geschrieben. Irgendwie ist die Verbindung nie ganz abgerissen. Ich war immer sicher, Malte ist auf einem Irrweg, aber er wird aus diesem Labyrinth wieder rauskommen. Allerdings wie bei allen Dingen – in seinem Tempo. Dann bekam meine Mutter Krebs. Sie wurde operiert, musste zur Chemo. Sie weinte sich die Augen aus nach Malte. Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin nach Bramfeld gefahren. In der Wohnung war niemand – außer Robin. Er war sehr höflich zu mir, lud mich auf einen Kaffee ein. Irgendwie fand ich ihn ungewöhnlich, seine braunen Augen waren so intensiv und geheimnisvoll und ich spürte, dass ich mehr über ihn erfahren wollte. Versteh mich nicht falsch – ich finde Rechte verabscheuenswürdig. Ich bin schon ziemlich lange in einer Antifa-Gruppe aktiv, aber ich habe gemerkt, dass Robin unter seinen Nazi-Klamotten eine ganz andere Person versteckt. Ich war neugierig. Außerdem wollte ich natürlich erfahren, wie es meinem Bruder geht. Wir haben uns also in diese Küche gesetzt – du musst dir das vorstellen: überall so Nazi-Devotionalien. Hitler-Bilder, SS-Abzeichen, Plakate über Plakate von Rechtsrockbands, Bücher über das Dritte Reich – die eine andere Geschichte erzählen, als wir das so kennen. Eine deutsche Flagge aus der NS-Zeit hing über der Spüle. Absoluter Wahnsinn. Da wird dir eiskalt.
    Schnell ist mir klar geworden, dass Robin kurz vor dem Absprung ist. Der war so verunsichert, woran er glauben sollte. Und er hatte Angst – vor dem, was kommen würde. Die Typen leben ja wie in Sekten. Die kennen ja nur noch ihresgleichen. Viele, wie auch Malte, haben zu ihren Familien keinen Kontakt mehr. Die leben voll in einer Seifenblase – aber einer sehr trüben mit ganz schön harten Wänden. In den nächsten Tagen und Wochen habe ich Robin immer wieder getroffen. Ich habe ihn ermutigt, habe für ihn Treffen mit Exit vereinbart, aber er hat in letzter Sekunde immer wieder gekniffen. Ich hab ihm gedroht, ich treffe mich nicht mehr mit ihm, aber da hab ich schon von seinen braunen Augen geträumt. Und dass ich es bin, die ihn rettet. Na ja, das ist ja gründlich danebengegangen.«
    Ich setze mich auf, lege meine Hand auf ihren Arm. Sie ist mir so vertraut.
    »Robin und ich haben uns verzweifelt aneinandergeklammert, es war furchtbar. Wie bei so einem Alkoholiker, der dir immer und immer wieder versichert, er hört auf. Jetzt hört er auf. Und wenn nicht jetzt, dann morgen. So war das auch mit Robin. Übrigens bin ich in all der Zeit Thor nie begegnet. Robin hat das immer verhindert. Auch Malte wusste nichts von uns. Immerhin habe ich es geschafft, Malte dazu zu überreden, meine Mutter zu besuchen. Er ging ins Krankenhaus, wenn mein Vater nicht da war. Auch mich wollte er nicht sehen. Meine Mutter hat gesagt, er hat viel geweint, wenn er bei ihr war. Er hat sie um Verzeihung gebeten und gefleht, dass sie wieder gesund werden soll.«
    »Wie geht’s ihr jetzt?« Meine Kehle ist trocken, ich fahre mir mit der Zunge
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