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Todesflirt

Todesflirt

Titel: Todesflirt
Autoren: Bettina Broemme
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über die Lippen.
    »Sie ist übern Berg. Jetzt muss man natürlich die nächsten Jahre abwarten. Aber im Moment geht’s ihr so weit ganz gut. Jedenfalls hat Malte nie mitbekommen, dass ich inzwischen Robins Freundin geworden war. Robin war sich unsicher, ob er Malte vertrauen konnte. Malte wollte keine Scherereien mit Thor. Er mischte sich in Diskussionen nicht ein. Ich redete auf Robin ein, er solle Malte nicht allein in der WG zurücklassen. Wenn sie gemeinsam aussteigen würden, sei das doch viel einfacher. Okay, irgendwann hatte ich Robin überzeugt. Vorsichtig tastete er sich bei Malte vor. Und Malte packte ihn wie ein Ertrinkender eine Rettungsleine. Ihr Plan stand – sie wussten, dass Thor in der ersten Maiwoche mit seinen Eltern zu irgendeinem Familientreffen fahren wollte, und dann wollten sie weg. Als es am Abend vor dem Ersten Mai zum Riesenstreit zwischen Robin und Thor kam, schlug Thor einen Deal vor. Wenn Robin am Ersten Mai zu der Schlägerei mitkäme, würde er ihn danach gehen lassen. Robin sagte Ja – und unterschrieb damit sein Todesurteil.
    In der Zeitung hatte gestanden, der Erste Mai sei ein besonders warmer und schöner Tag gewesen. Eigentlich kein Tag für Krawalle. Und trotzdem brachen an jenem Tag die heftigsten Zusammenstöße aus, die die Veddel je erlebt hatte. Am Wilhelmsburger Platz brannten Autos, Schaufensterscheiben gingen zu Bruch. Malte und Robin mittendrin. Es waren mehrere Tausend Leute gekommen, um gegen den Aufmarsch der Nazis zu protestieren, aber es gab auch um die 1 000 Nazis vor Ort. Die waren aus der ganzen Region, aus Meck-Pomm, Brandenburg, NRW, sogar aus Dänemark angereist. Na ja, und natürlich gab es auch die Gewaltbereiten und es dauerte nicht lange, bis sich die Gruppen gefunden hatten. Es war ein unglaubliches Durcheinander. Am Ende gab es zahllose Leichtverletzte und einen Schwerverletzten. Er hat die Nacht nicht überlebt. Das war Robin.«
    Ihre Augen werden ganz schmal. Das Türkisblau eine Spur dunkler. Sie atmet tief ein.
    »Die Polizei hat sich sofort darauf versteift, dass Robin von einem Linksextremen totgeprügelt worden ist. Klar, dass ein Nazi einen anderen Nazi umbringt, ist natürlich auch sehr unwahrscheinlich. Sie haben dann schon intensiv ermittelt, aber sie konnten nie genügend Beweise erbringen, um irgendwen zu verhaften. Thors Leute haben sowieso zusammengehalten. Die haben alle gesagt, dass sie nichts gesehen haben oder dass sie ganz sicher waren, es wäre ein linker Anarcho gewesen. Irgendwann wurden die Ermittlungen eingestellt. Klar, irgendein Beamter hat den Fall noch immer auf dem Tisch, aber aktiv haben sie keine Nachforschungen mehr angestellt. Im Grunde haben sie sich irgendwann gesagt, wenn sich da zwei Verrückte den Kopf einschlagen – selber schuld.«
    »Und was geschah mit Malte?«
    »Am Abend des Ersten Mai ist er nach Hause gekommen. Meine Mutter war auf Reha, mein Vater hat sie besucht. Aber ich glaube, das war Malte in dem Moment völlig egal. Auch auf die Gefahr hin, unseren Vater anzutreffen, er wäre gekommen. Er war völlig durcheinander. Hat von einer Brücke geredet, von Wind. War auch leicht verletzt. Dann hat er die ganze Zeit rumgestammelt von wegen Robin, Robin und ich hab total das Grausen bekommen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie lange es gedauert hat, bis ich endlich verstanden habe, was passiert war. Auch Malte hat nicht gesehen, dass es Thor war, der Robin so verprügelt hat. Aber Malte hat Robin in dem Getümmel schwer verletzt entdeckt. Ihm war klar, dass es schlecht stand um seinen Freund, und er ist bei ihm geblieben, bis der Krankenwagen kam. Kurz bevor Robin abtransportiert wurde, ist er einmal kurz aufgewacht. Er hat Malte so was wie ›Nimm mein Handy‹ zugeflüstert und Malte hat das getan. Dann wurde Robin weggebracht. Und in der Nacht starb er dann. Malte konnte das Handy unbemerkt einstecken und ist ebenso unbemerkt abgehauen. Zu mir. Aber von dem Handy hat er mir nichts erzählt. Das hat er erst getan, als er mich vor ein paar Wochen in Hamburg besucht hat. Er hat damals nur immer gesagt, dass er jetzt wegmüsse, dass er verschwinden würde, dass es am besten ist, wenn ich nichts weiß, und ich soll mir keine Sorgen machen. Ganz prima, echt. In einer Nacht habe ich meinen Bruder und meinen Freund verloren. Es war grauenhaft. Malte war nicht mal bei Robins Beerdigung. Keiner von den angeblichen ›Kameraden‹ war da. Die Zeit danach war die Hölle. Diese scheinheiligen Kommentare auf
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